Software für Schreiberlinge: Mit Mac und iPad Sachbücher verfassen.

4200Ein dunkles Arbeitszimmer. Nur das Gesicht des Autors wird vom Bildschirm beleuchtet, den übervollen Aschenbecher und die Schnapsflasche erkennt man kaum. Dann tippt der unrasierte Mensch den letzten Satz und seufzt tief. Es ist vollbracht! Er erhebt sich, füttert die Katze und stellt sich endlich mal wieder unter die Dusche. Die Verlagssuche kann warten, die Katze ist doch schon arg mager geworden.

So oder ähnlich stellen sich viele Menschen die Schreiberei von Manuskripten vor. Heute läuft es allerdings oft etwas anders, wie ich am Beispiel meines ersten Sachbuches Mac und iPad für Fotografen demonstrieren möchte.

Konzeptphase.

Bei Sach- und Fachbüchern ist es üblich, dass der Autor oder die Autorin mit einem Vorschlag an einen Verlag herantritt – bevor ein einziges Wort des Manuskripts geschrieben ist. Das geschieht über das so genannte Exposé, in dem auf wenigen Seiten die Buchidee in Worte gefasst wird. Auch ein Inhaltsverzeichnis, oder zumindest eine grobe Struktur, gehört dazu. Ich griff also nach OmniOutliner und legte los.

Der Verlag hatte Interesse, es folgten erste Gespräche, dann der Vertrag. Mit Deadlines und solchen lustigen Dingen. Dazu später mehr.

Im Februar 2013 machte ich mich an die Arbeit. Scrivener bleibt an Mac und PC mein Werkzeug der Wahl für die Entwurfsphase.

Aber ich hatte keinen Bock, ständig in oben erwähntem dunklen Kämmerlein an den großen Rechnern zu sitzen. Und mein MacBook Pro ist mir fürs tägliche Mitnehmen einfach zu schwer. Aber da liegt ja noch ein iPad herum? Mit passender Bluetooth-Tastatur?

Erster Entwurf.

Scrivener bietet die nützliche Funktion, die einzelnen Dokumente eines Projektes mit einem externen Ordner zu synchronisieren. Konkret heißt das, dass die Kapitel und Unterkapitel als RTF- oder TXT-Dateien zusätzlich in einen normalen Ordner kopiert werden. Und falls sich etwas in diesen Dateien geändert hat können diese wieder ins Scrivener-Projekt importiert werden. Also schnell als Synchronisations-Ordner einen Unterordner in meiner Dropbox festgelegt und diesen Unterordner in Byword für iPad hinzugefügt.

Sowohl Byword als auch Scrivener mögen Markdown, ich konnte also problemlos Auszeichnungen wie Kapitel, Untertitel, Listen, kursiver Text und so weiter zwischen Mac und iPad übernehmen. Unterwegs hackte ich den ersten Entwurf auf dem iPad in die Dropbox, daheim synchronisierte ich die Änderungen zurück in mein Scrivener-Projekt. Für Screenshots und Diagramme setzte ich Platzhalter – da sich Software schneller ändert als man »Ich schreibe ein Buch!« sagen kann hatte es keinen Sinn, bereits während des Entwurfs Zeit in besagte Screenshots zu investieren. Es war ja noch nicht mal Juni, da konnte noch viel Wasser die Thur hinunterfließen. Viel passieren. Zum Beispiel Mavericks.

Ja, jetzt kommt das mit der Deadline.

Lektorat, und die Sache mit der Deadline.

Mitten im zweiten Lektoratslauf zeichnete sich ab, dass Apple 10.9 doch schneller auf den Markt bringen wird als gedacht. Es gab zwar Betaversionen, die ich mir anschauen konnte, aber ich konnte nicht sicher sein, dass alles so bleibt, wie im Buch beschrieben. Auch war zu dem Zeitpunkt nicht klar, ob eventuell doch endlich mal eine neue Version von Aperture kommen wird, was doch noch relevant für ein Buch über Foto-Workflows gewesen wäre. Also verschoben wir den Abgabetermin auf November. Das war auch nötig, denn mit iOS 7 war bereits die Hälfte der iPad-Inhalte obsolet geworden und musste ersetzt werden.

Aber das nur am Rande. Wir sprechen vom Lektorat. Heute läuft das üblicherweise mit Word-kompatiblen Kommentaren und der »Änderungen verfolgen«-Funktion. Sorry, LaTeX-Nutzer, die meisten Publikumsverlage verwenden Word. Die internen Abläufe sahen ebenfalls vor, dass das Manuskript mit Stilvorlagen versehen ist, ohne »harte« Formatierungen. Sogar kursiv und fett musste mit Stilvorlagen erledigt werden. Hier half mir Nisus Writer Pro.

Aus Scrivener gab ich den Entwurf im RTF-Format aus, ein Dokument pro Kapitel. Die Markdown-Auszeichnungen ließ ich drin, denn so konnte ich in Nisus Writer im Anschluss nach diesen Symbolen suchen und die entsprechenden Text- und Absatzstile automatisch vergeben.

Das Ganze ging dann schlussendlich fünfmal hin und her, es wurden zusätzliche Kapitel eingefügt, andere gestrichen, wild in alle Richtungen kommentiert – nach einer Weile kümmerte sich die Korrektorin parallel um die »fertigen« Kapitel, und sie hatte natürlich auch vieles zur einheitlichen Schreibweise und Standard-Formulierungen zu sagen. Ich mach’s kurz, Nisus Writer Pro hatte keine Probleme mit den aufgezeichneten Änderungen, Kommentaren und Hinweisen. Und lieferte später auch problemlos Indexmarken, die für den, nun ja, Index nötig waren. Großartiges Programm.

Diagramme.

Screenshots sind das eine, Diagramme das andere. Wir einigten uns schnell auf OmniGraffle: Einfach zu bedienen, die Ergebnisse sehen nicht unhübsch aus, die Layoutabteilung kann gegebenenfalls noch etwas pimpen, und am Schluss lassen sich die Diagramme bequem für den Offset-Druck ausgeben. Die Pro-Version scheint teuer, aber gegenüber der preiswerteren billigeren Konkurrenz ist sie das Geld definitiv wert. Weniger wegen des »Looks« der Diagramme als wegen der Zeit, die man bei der Erstellung derselben spart.

Fazit.

Der erste Entwurf von Mac und iPad für Fotografen entstand zu 90% auf dem iPad. Nicht schlecht für ein Gerät, das von der Konkurrenz als »reines Konsumspielzeug« belächelt wurde, oder?

In diesem Stadium war Dropbox das wichtigste Werkzeug, ohne wäre es nicht möglich gewesen. iOS war damals zu zugemauert, es gab auch noch kein iCloud Drive, man kommt nicht direkt an die Dateien heran. Dropbox hat mir faktisch das nötige Dateisystem ersetzt, und das sowohl für OS X als auch Windows transparent. Aber ja, ohne Scrivener wäre dieses Buch auch nicht entstanden, und ohne Byword hätte ich vor Frustration in diverse Tischchen verschiedener Kaffeehäuser gebissen.

Für die Überarbeitung ist allerdings keines der beiden Programme zu gebrauchen. Ist auch nicht deren Einsatzgebiet, hier muss eine klassische Textverarbeitung her. Eine, mit der auch ein etwaiger Verlag klar kommt. In meinem Fall hat sich Nisus Writer Pro als die beste Lösung erwiesen: Stabil, kompatibel, durchdacht, null Probleme. Ich schreibe bald einen gesonderten Artikel zu Nisus. Obwohl es neben Word so ziemlich die älteste Textverarbeitung ist, die noch auf OS X läuft, scheint sie stark unterschätzt. Oder gar unbekannt? Wir werden sehen.

Sobald man Sachbücher tippselt muss man sich auch als Textarbeiter mit Diagrammen, Schemata und anderem Grafik-Gedöns herumschlagen. Hier hat sich OmniGraffle bewährt. Den Status als Platzhirsch hat sich diese Applikation über die Jahre mehr als verdient. Für mich das perfekte Beispiel, was Macs früher gegenüber der Konkurrenz beliebt machte – intuitiv aber dennoch mächtig, wenn man will und es braucht. Wenn nicht? Dann stört die Funktionsvielfalt nicht.

Die Kombination aus verschiedenen Applikationen mag auf den ersten Blick unnötig komplex wirken. Aber die Reduktion auf das Nötigste-pro-Gerät hat meine Arbeit erleichtert. Am iPad? Dann tippsle ich so. Am großen Mac? Dann so. Am Notebook? Dann so. Ich kann nur jedem Schreibenden raten, sich die Werkzeuge sorgfältig auszuwählen. Vielleicht wird es dann doch Word. Aber es gibt Alternativen, und diese arbeiten mittlerweile gut auf verschiedenen Geräten mit einander zusammen.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Januar 2014 im deutschen Apple-Blog »Apfelquak«. Nach vielen Jahren wurde es Mitte Jahr aus Mangel an Autoren und Autorinnen leider eingestellt, daher diese Wiederveröffentlichung.

3 Gedanken zu „Software für Schreiberlinge: Mit Mac und iPad Sachbücher verfassen.“

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