Kranke Selbständigkeit.

Mich hat es abgetischt, wie wir Schweizer das gerne nennen. Ich war krank. Was ich für einen einfachen grippalen Infekt (vulgo »Erkältung«) hielt erwies sich als The Real Thing™. Wie geht man als Freischaffender mit solchen Situationen um?

Die Grippe-Welle hat dieses Jahr den Thurgau früher als üblich erreicht. Der halbe Kanton scheint zu rotzen, zu husten und über Kopf- und Gliederschmerzen zu klagen. Die Wartezimmer sind so voll wie die Nebenhöhlen der Betroffenen. Nicht schön.

Mich hatte es vor zweieinhalb Wochen auch erwischt. Und dumm wie nur Selbständige sein können verweigerte ich mich der Einsicht, dass es mehr als »nur eine Erkältung« sein könnte. Ich verschleppte die Krankheit volle zwei Wochen. Auch nicht schön, denn in dieser Zeit war ich weder körperlich noch geistig fähig, meiner Arbeit nachzugehen.

Für Menschen im Angestelltenverhältnis ist die Situation nicht weiters wild – zumindest dann, wenn die Firma nicht gerade auf dem letzten Loch pfeift oder ein extrem wichtiges Projekt vor dem Abschluss steht. Sie können sich bei der Chefin abmelden, nach 1-3 Tagen geht man zum Arzt, holt ein Zeugnis, und kuriert sich aus. Der Lohn wird normal weiter bezahlt, die Stelle ist sicher (sofern man es mit den Krankheitstagen pro Jahr nicht maßlos übertreibt oder die Geschäftsleitung nicht aus Soziopathen besteht). Freischaffende und Selbständige trifft eine gröbere Erkrankung härter.

Zuerst einmal wäre der Erwerbsausfall zu nennen: Da wir für geleistete Arbeit bezahlt werden heißt »keine Arbeitsleistung« auch »keine Kohle«. Ich zum Beispiel musste einen Fotoauftrag und zwei Artikel absagen, das sind ein paar hundert Franken, die mir im Budget jetzt fehlen. Was aber natürlich weder die Krankenversicherung noch die Sozialversicherungsanstalt besonders interessiert, auch Vermieter und Handy-Anbieter wollen ihre Monatsbeiträge trotzdem. Tja. Dafür hat man hoffentlich ein finanzielles Polster. Aber die Probleme, die Selbständige bei mehrwöchigen Ausfällen haben können gehen ja über den momentanen Erwerbsausfall hinaus.

Da wären längerfristige Projekte. Ich sitze momentan an meinem nächsten Buch nach Mac und iPad für Fotografen. Die Vorarbeiten sind schon lange abgeschlossen, ich bin in dem Stadium, wo aus den hunderten von Textschnippeln, Links, Mails und unleserlichen Fresszetteln das eigentliche Manuskript entstehen soll. Also die eigentliche Schreibarbeit – in der mich die Grippe mehr als zwei Wochen zurückgeworfen hat. Denn es blieben auch noch andere dringende Dinge liegen, also verzögerte sich die Tippselei länger, als die eigentliche Erkrankung dauerte. Zum Glück habe ich einen unkomplizierten Verlag und einen pragmatischen Lektor. Bei anderen Projekten mit fixen Deadlines kann ein solcher ungeplanter Ausfall den Auftrag kosten.

Und zuletzt, aber nicht als Letztes, wären Projektanfragen von Neukunden. Respektive von potentiellen Kunden, die gerne Neukunden werden würden. Wo es sich natürlich sauschlecht macht, wenn schon beim ersten Probeauftrag der Freischaffende nur verzögert liefern kann oder im Fieberwahn mit wirren Buchstabenfolgen auf Mails antwortet. Auch hier hatte ich Glück; der anfragende Zeitschriftenverlag hat keine feste Deadline für den Artikel. Wenn’s nicht ins Novemberheft reicht, dann eben in die Dezemberausgabe.

Kurz: Krank sein ist für Selbständige, besonders Einzelkämpfer, überaus mistig und kann im schlimmsten Fall existenzbedrohend werden. Man kann sich mit Erwerbsausfall- oder Taggeldversicherungen schützen, aber das lohnt rein unterm Strich oft nur dann, wenn man mit vergleichsweise hohen Projektbudgets zu tun hat. Außerdem ist man dann zwar finanziell (etwas) abgesichert, vergrämte Kunden oder abgeschreckte Interessenten bringt die Versicherung aber auch nicht zurück. Und falls Kunden abspringen und es ans finanziell Eingemachte geht steht keine Arbeitslosenversicherung zur Verfügung. Dann droht der Privatkonkurs und der Gang aufs Sozialamt.

Mein Ratschlag ist entsprechend, dass man sich ein Netzwerk von Kollegen aufbaut. Das Netzwerk kann lose sein oder über einen Verband laufen, wichtig ist einfach, dass man zwei, drei Kolleginnen hat, an die man gegebenenfalls Aufträge weitergeben kann. Und natürlich ist auch wichtig, dass dies auf Gegenseitigkeit beruht, dass man also auch zur Verfügung steht, falls es die Zeit erlaubt und einen Kollegen »abgetischt« hat. Der Kunde geht vor – es macht sich besser, wenn man sich für die Anfrage bedankt, entschuldigt, und an einen (vorinformierten) Kollegen verweist. Vielleicht bleibt der Kunde dann bei der Konkurrenz, vielleicht findet die Projektleiterin aber den lösungsorientierten Ansatz sympathisch. Wenn man will, kann man mit seinen Netzwerkkollegen ein Rahmenabkommen aufsetzen, mit Vermittlungsgebühren oder Umsatzbeteiligung. Wenn es aber wirklich quid pro quo läuft muss das nicht unbedingt nötig sein.

Mein zweiter Ratschlag ist etwas direkter: Verschleppt keine Krankheiten! Ich bin da leider chronisch unbelehrbar. Ich habe keine Angst vor Ärzten und bin gut versichert. Aber ich komme automatisch in eine Verweigerungshaltung, bis es wirklich nicht mehr geht. Man mag sagen: Mit Medikamenten ist die Grippe in zwei Wochen ausgestanden, ohne dauert sie 14 Tage. Aber vielleicht machen es die Medikamente möglich, dass man zumindest ansatzweise klar denken kann. Und so keinen Wortsalat per Mail verschickt, oder etwas wirre Interviews gibt. Kunden, Leser und nicht zuletzt die eigene Reputation werden es danken.

7 Gedanken zu „Kranke Selbständigkeit.“

  1. Bei beiden Ratschlägen kann ich nur zustimmen. Nicht verschleppen! Und schon im Vorfeld zu sich selbst Sorge tragen. Ich bin seit 15 Jahren mit einer Unterbrechung selbständig und den grössten Fehler, den ich gemacht habe – und oft immer noch mache – ist, wenn die Aufträge mal da sind, dann kotze ich mich regelrecht aus, verzichte auf Schlaf, vergesse zu essen, will „noch schnell“ etwas fertig machen und dann ist schon fast morgen und um 6.30 heisst es schon wieder aufstehen…
    Logo tischt es einem dann irgendwann „z grächtem“ ins Bett!
    Gesundheit für Selbständig fängt damit an, dass man sich an einen Rhythmus hält, regelmässig ausgewogen isst, spazieren/walken oder sonst DRAUSSEN spörteln geht, etc.

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