Anstelle eines ereigniszentrischen Jahresrückblicks möchte ich darüber sprechen, was ich im Pandemiejahr 2021 alles für und über mich gelernt habe. Teil 2 von 5: Wie lief’s im zweiten Coronajahr so beruflich?
Es ist Pandemie, nicht normal arbeiten zu können ist das neue Normal
Es ist okay, wenn man mal nicht «mag», die Energie fehlt und man einfach nur erschöpft und mütend vor dem iPad oder hinter der Kamera herumsitzt. Meine Güte, es ist Pandemie! Letztes Jahr war ich noch vorsichtig optimistisch; ich hatte erwartet, dass sich die Leute um die Impfung reissen und wir die Situation gemeinsam in den Griff bekommen werden. Pustekuchen. Dass es dann auch in der Zusammenarbeit mit Klient:innen und Redaktionen weiterhin unrund laufen kann, darf nicht verwundern. Veranstaltungen von der kleinen Lesung bis zum Spengler-Cup können innerhalb von 24h abgesagt werden. Interviewpartner:innen sitzen plötzlich in Isolation fest, Artikel werden verschoben, weil der Bundesrat an einer Medienkonferenz etwas Dummes gesagt hat. Und so weiter. Eine gewisse Gelassenheit ist auch für freiberufliche Mitarbeitende durchaus angebracht. Shit happens. Get over it. Smile.
Silos sind nicht schlimm, aber es braucht einen Ausstiegsplan
Die reduzierte Auftragszahl war wie gemacht dafür, dass ich meine Software-Infrastruktur hinterfrage und mit neuen Tools experimentiere. Denn wenn’s mit einem frischen Werkzeug nicht klappen will, sind nicht gleich dutzende Artikel oder hunderte Fotos betroffen. Mir ist dabei aufgefallen, dass ich über die Jahre mehr und mehr in so genannte «Silos» gerutscht bin – Applikationen also, die ihre Daten in einer eigenen, geschlossenen Datenbank und/oder in proprietären Formaten verwalten.
Was meine Experimente gezeigt haben, ist, dass das nicht weiters schlimm ist – vorausgesetzt, ich bekomme mein Geraffel aus besagten Silos und besonders auch Apples «Walled Garden» heraus. In einem weiteren Schritt hat es Sinn, zwischendurch zu prüfen, ob man seine gewohnte Arbeitsabläufe mit anderen Tools oder auf einem anderen Betriebssystem abbilden kann. Das ist eine Sache, an der ich auch nach der Pandemie festhalten möchte, also ein Mal im Jahr und einen Monat lang meine am häufigsten genutzten Werkzeuge beiseite zu legen und mit etwas ganz anderem zu arbeiten. Es beruhigt mich, wenn ich merke: Ja, ich komme immer irgendwie an meine Daten. Und wer weiss, vielleicht finden sich auch Verbesserungen für den gewohnten «Workflow»?
Die Relationen müssen gewahrt bleiben
Pandemie hier, Erwerbsausfall da – aber es bringt nichts, kopflos jeden Auftrag anzunehmen, der sich doch noch anbietet. Drei Stunden ÖV, eineinhalb Stunden vor Ort, dann drei Stunden für die Bilderauswahl und das Runterschreiben? Für am Schluss vielleicht 20 Franken Stunden-«Lohn»? Ist es die körperliche und psychische Belastung wert? Und wie sieht es mit der ständigen Erreichbarkeit aus, damit man auch ja keinen potenziellen Auftrag verpasst? Ich habe für mich einige Regeln aufgestellt:
Falls zwischen Anfrage und Deadline weniger als 7-10 Tage liegen, muss das Honorar entsprechend höher ausfallen. Davon ausgenommen sind Dinge, für die ich eh schon vor Ort gewesen wäre.
Ich bin nur noch für eine Handvoll Menschen in Echtzeit telefonisch erreichbar, alles Andere wird aufs Voicemail umgeleitet. Die ständigen Anrufe reissen mich aus dem Flow und sorgen für einen unterschwelligen Dauer-Stress. Ich muss mit dem Telefon also wie mit Mail umgehen können – die Anfragen genau dann abarbeiten, wenn ich Zeit und Energie dafür habe.
A propos Mail – wenn ich dann doch mal einige Tage frei-frei brauche, um meine Batterien zu laden, richte ich seit kurzem eine Autoreply ein. Die Trennung zwischen «privat» und «beruflich» fällt Selbständigen traditionell schwer. Kurze, automatisierte Antworten helfen zumindest mir enorm in dieser Hinsicht: Ich gucke nicht «doch noch kurz» ins Mail, sondern dann, wenn ich aus dem Pseudo-Kurzurlaub «zurück» bin. Also genau so, wie es auch die meisten Angestellten handhaben sollten.
Heute hat das WEMF die aktuellen Reichweiten verschiedener Schweizer Print-Produkte – Zeitungen und Magazine – publiziert. Selbst die meistgelesene Zeitung der Schweiz hat fast 20 % an Reichweite eingebüsst.
Neue Zürcher Zeitung? -14 %. Aargauer Zeitung? -13 %. 20 Minuten? -19 %. «Meine» Haupt-Zeitung, St. Galler Tagblatt incl. Regionalzeitungen, hat’s mit -2 % noch einigermassen glimpflich erwischt. Aber die aktuellen WEMF-Zahlen sind deutlich: Print, so, wie wir ihn seit ca. 1780 kennen, stirbt einen langsamen, langsamen Tod.
Keine Überraschung, aber weiterhin ein Problem
Gut, das kommt nicht wirklich überraschend. Und für viele Leserinnen und Leser dürfte sich die Frage stellen – jo, und nu? Die Zahlen in digitalen Formaten steigen, klar sinken im Gegenzug die Totholz-Anteile? Das mag so sein. Aber ignoriert die Art und Weise, wie viele Journalisten und Journalistinnen, Reporterinnen und Reporter arbeiten, mit der (mehr oder minder) klaren Arbeitsteilung, Vieraugen-Prinzip, Blattmacher*innen, Korrektorat und so weiter. Es wird interessant sein, zu sehen, wie 20 Minuten mit der neuen «social-first»-Strategie zurande kommen wird – immerhin entscheiden dann die Menschen am Social-Desk oder vielleicht gar die Berichtenden live vor Ort, wie Lead und Anriss des Beitrags aussehen sollen, und wann und wo er erscheint.
Problem (nicht nur) für freie Mitarbeitende
Kurz – für Redaktionen ist’s nicht einfach nur ein Medienwechsel. Es ist auch ein Wechsel im Workflow, in der Firmenkultur und führt gegebenenfalls zu einem veränderten Qualitätsanspruch. Schwierig kann das für freie Mitarbeitende werden, denn diese arbeiten in der Regel für verschiedene Redaktionen, die mehr oder weniger weit in diesem Medienwandel-Prozess fortgeschritten sind. Damit wird einerseits eine etwaige Zweitverwertung aufwendiger oder verunmöglicht. Andererseits verpassen sie als «Freie» interne Weiterbildungen oder informell an der Kaffeemaschine bestimmte Konventionen und Regeln.
Wandel kann man nicht aufhalten, höchstens ausbremsen. Persönlich begrüsse ich es, dass mein Altpapierstapel zunehmend an Umfang verliert. Moderne Displays sind für mich gut genug, um auch lange Beiträge zu lesen. Meinen Einstieg als Reporter hatte ich in reinen Online-Medien, als freier Mitarbeiter muss ich mich eh an zig verschiedene Vademeca und Vorgaben halten – die eine Publikation möchte nur Bilder im 16:9-Format, die andere mit runtergeschraubtem Kontrast für die Offset-Maschine. Die eine gendert mit Sternchen, bei der anderen streicht das Korrektorat alles Gegenderte raus, die dritte hat gar kein Korrektorat. Also business as usual für mich und meine freiberuflichen Kolleg*innen? Irgendwie schon. Aber wie gut Redaktionen als Gesamtes, mit ihren gewachsenen Strukturen, Aufgaben, Funktionen und Abläufen, damit klar kommen? Da wird es interessant bleiben. Und ich kann es verstehen, wenn es etwas länger dauert, bis sich das einigermassen eingependelt hat.
2020 war kein gutes Jahr für viele freiberufliche Reporter und Journalist:innen. Mein persönlicher Rückblick soll auch in dieser Hinsicht als Illustration herhalten.
Die folgenden Einträge sind bereits auf Facebook erschienen, so einen Monat pro Tag, aber ich dachte mir: Hey, ich könnte auch mal wieder etwas in mein Blog hängen. So gebündelt und so. Ergo:
Januar 2020
Im Januar war noch alles »normal«, könnte man sagen. Mehr noch, ich startete privat wie beruflich ausgezeichnet ins 2020. Alles deutete darauf hin, dass dieses Jahr noch erfolgreicher verlaufen würde als 2019, mein bestes (Arbeits-)Jahr seit den frühen 2000ern, und das, obwohl Januar in der Regel für mich ein eher »langsamer« Monat ist. Ob Porträts von und Interviews mit Fischhändlern und Lädeli-Besitzerinnen, Reportagen zu Bio-Rindfleisch, libanesische Erfinder im Toggenburg, das Neujahrskonzert der Musikgesellschaft Harmonie (Bild) oder Parteianlässe im Vorfeld der kommenden Wahlen – alles war möglich, alles war gefragt.
Corona-Indikator-Fotos-für-Kunden-Counter: 239, viel für einen Erni-Januar
Februar 2020
Mitte Februar hörte ich das erste Mal abseits von Randnotizen von »Corona«, denn ich berichtete vom traditionellen Raiffeisen-Finanzapéro in Wattwil. Für den Referenten war klar, dass die Wahl zum US-Präsidenten das wichtigste Ereignis 2020 werden würde, aber er erwähnte auch »dieses Virus, das sich in China breit macht.« Mein Interesse geweckt las ich mich ins Thema Sars-Cov-2 ein. Mir wurde ein bisserl mulmig, aber als ich zwei Tage später Bruno Damann an der Hauptversammlung des Jägervereins Toggenburg in Lichtensteig traf (Bild), erwartete ich nicht, dass ich ihn im Verlaufe des Jahres in gleich so vielen Pressekonferenzen sehen werde. Noch nicht.
Corona-Indikator-Fotos-für-Kunden-Counter: 92, normal für einen Februar
März 2020
Shutdown! Für den 16. März rief der Bundesrat die »außerordentliche Lage« aus, und es war eigentlich klar: Das Virus wird uns noch bis weit ins Jahr 2021 beschäftigen. Ich hoffte entsprechend, dass Bund und Kantone nicht den Fehler machen würden, die vorhersehbare Herbst-Welle zu unterschätzen und nach dem Shutdown die Sache schleifen zu lassen. Tjahaha, shame on me. Für mich zeichnete sich ab, dass der April beruflich nicht so der Bringer werden würde – eine »meiner« Zeitungen stellte in Aussicht, bis Ende Jahr auf die Dienste freier Mitarbeitenden zu verzichten. Aber es war nicht alles schlecht in der ersten Welle; mit Projekten wie Toggenburg hilft wollten uhuere viele Menschen ihren Mitmenschen, nun ja, helfen. Und ich arbeitete mich für die Lieblingsbücher-Serie von Thurgaukultur (siehe unten) in Videoschnitt und -Produktion ein. Weiterbildung so zu sagen.
Corona-Indikator-Fotos-für-Kunden-Counter: 142, halb so viel wie normal
April 2020
Wie erwartet riss der April ein gehöriges Loch in mein Auftragsbuch – aufgrund der weggebrochenen Werbeeinnahmen schrumpften die Bundumfänge der Zeitungen und damit auch der Platz für Beiträge aus der Region. Einer der wenigen Artikel, die ich machen konnte, führte mich aber zu Nistkästen auf Hochhausdächern in Wattwil, das war toll (Bild). Aber an Event-Berichterstattung, mein eigentliches Hauptgeschäft, war nicht zu denken. Und zu allem Unglück stoppten die meisten meiner PR-Kunden etwaige Medienmeldungen. Oh, well. Ist halt Pandemie, ne? Aber einen Lichtblick gab’s trotzdem – im April begannen Frank Treichler und ich mit der Neuauflage meines Capture-One-Buchs. Gemeinsam haben wir das Dingens komplett umgebaut und für die Version 21 fit gemacht, so voll mit NDA unzo. Im Moment ist das Manuskript im Lektorat, ca. Februar 2021 wird’s erscheinen.
Shutdown vorbei! Nun ja, nicht für alle – Veranstaltungen blieben weiterhin schwierig bis unmöglich. Und auch wenn die Geschäfte öffnen durften und sich bei vielen Toggenburgerinnen und Toggenburger wieder so etwas wie Normalität einstellte, galt das nicht für die Alters- und Pflegeheime, wie ich im Risi Wattwil hautnah miterleben durfte (Bild). Die waren – und sind es wieder – faktisch in einem harten Lockdown. Während spätestens seit Mai Politiker:innen und Lobbyisten wegen »viel zu strengen Maßnahmen« rummoserten, machten die Fachkräfte Pflege und Betreuung weiter ihren Job und versuchten, das Beste aus der Situation zu holen. Dass sie dafür auch heute noch höchstens ein bisserl Applaus bekommen, statt griffige Verbesserungen im Arbeitsalltag, macht mich immer noch wütend.
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Juni 2020
Während die einen Corona für beendet erklärten (lol), litt die Eventbranche weiter. Mit einem nationalen Aktionstag bzw. Nacht, der Night of Light, wollten von den Maßnahmen direkt betroffene Betriebe wie das Chössi-Theater (Bild), Künstler:innen, Techniker:innen, aber auch indirekt Betroffene wie Zulieferer und Freiberufler auf die schwierige Situation aufmerksam machen. Aber brachte wenig – Partei- und Politikmenschen schätzen wohl den Anteil am BIP und Jobmarkt der Event-Brache völlig falsch ein. Es gab im Juni ein wenig Hoffnung, dass es im Spätsommer wieder los gehen könnte. Auch in meiner Aargauer Band, LRRH, hielt sich der Optimismus, im August doch noch am Wettiger-Fäscht auftreten zu dürfen. Nun ja. Unsere Bandprobe im Juni sollte zur vorletzten in diesem Jahr werden.
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Juli 2020
Der Juli verlief wieder fast »normal«, zumindest beruflich. Ob Mini-Openair in Ebnat-Kappel, Fernwärme-Diskussion in Kirchberg (Bild) oder Vorbericht zur kommenden Wanderausstellung »Freie Republik Bad Hemberg« der Kunsthalle[n] Toggenburg für gleich zwei Publikationen – ein fast normaler Juli. Fast. Denn es zeichnete sich ab, dass die Jazztage im August nicht durchgeführt werden können. Ein weiterer Zeitungsverlag stellte vorsorglich die Zusammenarbeit mit Freiberuflern ein. Man musste immer und überall seine Kontaktdaten hinterlassen. Und privat waren wir bereits im fünften Monat dermaßen auf Massiv-Sozialkontakte-Reduktion, dass es zur Intervention unserer engsten Freunde kam. (Danke, übrigens.) Als dann auch noch Dreizehntel verstarb, nun ja. Bei allem Positiven, das der Juli brachte, schön war er nicht wirklich, und mir schwante Übles für Spätsommer und Herbst.
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August 2020
Der August war für mich vielleicht der einschneidendste Monat dieses Jahr. Mag komisch klingen, aber dass die Jazztage Lichtensteig ausgefallen sind, führte bei mir zu einem verschobenen Zeitgefühl. Wir leben erst seit 2015 hier im Städtli, aber ich habe unbewusst begonnen, mein erlebtes Jahr um die Jazztage rum zu strukturieren – fällt das weg, »passen« plötzlich gut fünf Monate nicht mehr in meinen Kopf. Die Wilden Weiber haben am Jazztage-Wochenende stattdessen die »Bunten Tische« veranstaltet (Bild), das hat ein wenig geholfen und verlief dank großer Disziplin aller Gäste und Beteiligten ohne, dass der Tag zum Superspreader-Event mutiert wäre. Aber … ein guter Monat wäre anders gewesen. Und ein Blick auf die Reproduktionszahlen ließ mich wundern, weshalb Bund und Kantone die Sache so locker zu nehmen schienen.
Corona-Indikator-Fotos-für-Kunden-Counter: 161 – in einem normalen Jahr wären es über 800 gewesen
September 2020
Im September fielen die eh schon geringen Stützmittel des Kantons für indirekt von den Maßnahmen Betroffene weg. Ich war also angehalten, wieder möglichst alle Aufträge anzunehmen. Das fühlte sich eigenartig an. Einerseits hatte sich bereits im August abgezeichnet, dass es so ab ca. Ende Oktober, November nicht nur mit Fallzahlen, sondern auch auf den Intensivstationen in der Schweiz knallen würde. Aber es gab keine griffigen Einschränkungen, und eine gewisse Müdigkeit (bei den einen) bzw. Leckmichamarsch (bei den anderen) machte sich breit. Ich musste – und konnte, glücklicherweise – fast wie in einem üblichen Jahr arbeiten, vorwiegend im Kulturbereich: Offene Ateliers wie bei Artur Sousa in Lichtensteig (Bild), die Eröffnung der Galerie 1923 in Wattwil oder die Ausrufung der »Freien Republik« in Hemberg seien speziell hervorgehoben. Alles mit Distanz, Lüften, Mund/Nasen-Schutz und so weiter. Ein ungutes Gefühl blieb trotzdem. Denn die Zahlen waren eindeutig.
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Oktober 2020
Viele vorausschauende Veranstalter:innen sagten bereits im August und September Events für den Oktober ab, während sich wiederum viele Epidemiolog:innen und interessierte Dritte wunderten, weshalb der Bundesrat und die Kantone ned endlich handeln. Merci allen, die agierten statt reagierten. Denn bereits im August zeigten die Zahlen, dass ohne harte Maßnahmen die Fall- und Todeszahlen hochschnellen würden. Ganz zu schweigen vom Druck auf Pflegende und das Gesundheitswesen. Nun ja. Tja. Tempus fugit. Ich besuchte noch die Proben für den »Bettelmann« des Theatervereins Toggenburg (Bild). Um dann zwei Wochen später eine Reportage darüber zu schreiben, wie viel Aufwand die Absage einer solch großen Produktion verursacht. Spoiler: Sie sagten ab, bevor der Bundesrat reagierte, zeigten sich also weitsichtig. Der Aufwand war aber trotzdem, oder genau deshalb, immens.
Und dann schlich sich langsam der Winter in die Schweiz. Bund und Kantone entschieden sich, die Situation ganz genau zu beobachten.
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November 2020
Viele meiner Bekannten und Arbeitskolleg:innen erkrankten – die meisten zum Glück mit einem milden Verlauf, aber mindestens einer würde bis Dezember daran gestorben sein. Rolf, der Marathonläufer und mehrfache Teilnehmer des Frauenfelders, gab in seinem persönlichen Zieleinlauf alles und verstarb am 19. November noch vor besagtem Zeitungsbesitzer. Ohne Corona, aber mit den wegen Corona-Deppen nötigen Einschränkungen in Sachen »Trauerarbeit«. Danke, Deppen, Eure Ex-Wähler haben sich gemerkt, dass ihr was von »nur eine Grippe« und »wir müssen lockern!« faselten. Und immer noch faselt.
Item. Es zeichnete sich ab, dass die zweite Welle für Familien, Unternehmen und Selbständige im Kultur-, Veranstaltungs- und Gastrobereich härter ausfallen würde, als es die erste tat. Auch, weil ein großer Teil der vielgelobten Frühlings-Solidarität (vulgo Balkon-Klatschen) in der zweiten Welle wegfallen würde. Aber die Politik reagierte: Sie stritt sich über Kompetenzen – »Sache der Kantone« – und darüber, ob wir verlernt hätten, zu sterben, und stellte dann so für Januar, Februar 2021 (vielleicht) breitere Unterstützungsmaßnahmen in Aussicht. Passenderweise war einer der wenigen Aufträge, die ich noch sichern konnte, der Vortrag von Michel Meyer, Ex-Delegierter des IKRK (Bild). »Die menschliche Würde kommt jedem zu«, wie er dort sagte. Vielleicht sollten die von uns gewählten Politiker:innen auch mal zuhören.
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Dezember 2020
Eigentlich wollte ich schon anfangs Jahr eine zusätzliche Band in der Nähe suchen, um öfters live auftreten zu können. Aber yay, Corona. Dann ergab sich im Dezember per Zufall (und via Twitter) doch noch etwas Tolles – neben den beiden Jungbüsis Fauci und Ælfric, natürlich, aber nicht minder wichtig fürs Seelenheil: Ich spiele jetzt Bass bei Scream Therapy. Alles geili Sieche. Und ich freue mich darauf, 2021 (oder 22) mal endlich wieder live abzurocken. 🤘
Gesellschaftlich, politisch und beruflich jedoch war der Dezember eine Kurzfassung des gesamten Jahres 2020. Passenderweise arbeitete ich im Herbst/Winter an gleich drei Beiträgen zu psychiatrischen Themen, unter anderem zum Peers-Pilotprojekt im Tageszentrum Toggenburg des SGHV (Bild). Aber ja, Impf-Spinner und Seuchen-Fans, zahmer Mini-Shutdown, hunderte verschwundene britische Touristen, 80-100 Tote täglich … im Dezember 2020 war die Schweiz nicht das hellste Kerzchen am Corona-Christbaum.
Ich möchte meinen Jahresrückblick aber nicht mit Gefluche, sondern konstruktiv abschließen: Falls Ihr Hilfe braucht, hören Euch in der Schweiz telefonisch (u.a.) Pro Mente Sana unter 0848 800 858 und Die Dargebotene Hand via 143 zu. Beide bieten ebenfalls Beratung über E-Mail an, die 143 auch in einem Chat. Pro Mente Sana kann ich persönlich empfehlen, sie haben mir vor Jahren durch Krisen geholfen.
Godspeed you beautiful human beings. Take care. Be kind. Covid sucks.
Vor einem Jahr wechselte ich für meine Reportage-Tätigkeit von Kleinbildsystemen zurück auf µ43. Über die nächsten Wochen möchte ich vom Umstieg berichten, die Vor- und Nachteile im Vergleich zu »Vollformat« diskutieren und auch das eine oder andere Bildli zeigen. Heute: Wetterfestigkeit.
Die Gründe für meinen Wechsel waren vielfältiger Natur, ganz zuoberst jedoch stand die Wetterfestigkeit: Ich mag vielleicht nicht in bzw. an der Nordsee Robben fotografieren oder im (verbleibenden) brasilianischen Tropenwald auf Wanzenjagd gehen, aber an Festivals fliegt Dir schon mal das eine oder andere Bier entgegen – oder es schifft, und Du musst trotzdem Bilder abliefern. Wenn Du einen Auftrag hast, kannst Du nicht sagen »och nö, das Wetter ist mir jetzt doch ein bisserl zu garstig« – Du musst arbeiten.
Entsprechend griff ich anfangs Juli 2018 zu einer Olympus E-M1 Mark II mit Batteriegriff und abgedichteten Objektiven. Vor kurzem hat eine OMD E-M1X (ja, das Ding) die Mark II als Hauptkamera abgelöst. Die Kamera ist noch besser abgedichtet und noch robuster. Man könnte wohl Nägel damit einschlagen oder unter einem Wasserfall campieren, so oder so jedoch etwaigen Schlamm (und Bier) einfach kurz unter der Dusche abwaschen. Und das ganze Geraffel passt locker in eine handliche Umhängetasche.
Wären meine Ansprüche an Wetterfestigkeit und Robustheit auch von einem Kleinbildsystem befriedigt worden? Natürlich. Bereits eine Nikon D850 ist ordentlich abgedichtet, die Profi-Gehäuse von Canon und Nikon sowieso. Aber dann geht das Geschleppe los, und ganz günstig sind die abgedichteten Objektive auch nicht – ein 70-200mm/F2.8 kostet mit fast 3000 Franken locker das Doppelte des äquivalenten (also für denselben Einsatzbereich gebauten, nicht rechnerisch gleichwertigen) Olympus-Objektivs, die Profi-Bodys ebenfalls fast das Doppelte einer E-M1X. Und eben – die Fototasche wird dann sehr schnell sehr groß und sehr schwer. Muss ich nicht haben.
»Aber Erni, Freistellung! Bokeh! Rauschverhalten!« Ja, ja. Darauf werde ich im nächsten Beitrag eingehen. Wobei, wenn ich so darüber nachdenke, da braucht’s wohl zwei Beiträge zu. Stay tuned.
Wirklich, ich finde es super, wenn sich so viele Leute dermaßen über Sommer, Sonne, Badespaß und so weiter freuen. Ich gönn’ es Euch, wirklich. Wirklich. Und ich finde es auch nicht super, dass da gleich gewisse Parteiproponenten auf den gegenteiligen Zug aufspringen und Politik damit machen, nachdem sie noch vor kurzem was von »Wetter ist nicht Klima« faselten. Gegessen.
Aber mich macht die gegenwärtige Kombination aus Temperaturen und Taupunkt fertig. Ich bin damit nicht allein, die letzten Jahre starben jährlich über 800 Leute in der Schweiz extra, in den Hitzewellen, zusätzlich zum Jahresdurchschnitt. Ein etwaiger BIP-Ausfall lässt sich schwer beziffern, aber es ist auffällig, wie oft das Thema Hitze-im-Büro sowohl beim Bund als auch in der Wirtschaftspresse Thema ist. Und wie selten ich gegenwärtig Leute ans Telefon bekomme, weil ich noch ein Interview mit ihnen machen müsste.
Bei mir jedenfalls sinkt der IQ ab 25 Grad Celsius pro zusätzlichem Grad um gefühlt 20 Punkte. Aktuell dürfte ich noch so um die 40-70 rum liegen. Ist halt so. Als Freiberufler kann ich mich damit arrangieren, stehe um 4.30 Uhr auf und habe bis 11 Uhr das meiste erledigt. Ich kann mich darauf einstellen, für etwas gibt es ja »Sommerferien«, da läuft eh wenig. Sprichwörtliches Sommerloch in den Medien. Weil, ich bin damit nicht allein. Die abgelehnten und vergeigten Aufträge haben mich trotzdem im Juni rund einen Viertel Monatsauskommen gekostet. Auch das geschenkt, auch das ist in der Kalkulation. Ich kenn mich ja.
Aber … nicht im Juni. Nicht anfangs Juli, nicht, bevor die erste Sommerwoche überhaupt durch ist. Das jetzt ist in etwa das, was nicht nur ich über die letzten Jahrzehnte so für ca. Ende Juli, anfangs August eingeplant habe(n) (nochmals, Stichwort »Sommerferien«). Wir liegen momentan so auf Niveau Super-Hitzesommer 1983 und 2003, Tendenz WTF. Und die absoluten Hitzerekorde seit Messbeginn fallen ebenfalls. Ist für viele Leute gerade nicht sonderlich schön. Und falls es anhalten sollte, dann wird es nicht nur bei mir prekär mit dem Auskommen.
Kurz: Es gibt Leute hier, die nicht mit den Temperaturen klar kommen. Man plant und arrangiert sich, aber manche wie ich werden einfach gaga. Andere sterben unverhofft. Ich möchte wirklich niemandem den Sommer madig machen, aber: Normal ist das nicht. Also wundert Euch bitte nicht, wenn manche Leute auch nicht mehr normal funktionieren, nicht mehr normal funktionieren können. Lustige Memes nachm Motto »Ist halt Sommer« helfen da wenig bis nichts. Ja, es ist Sommer. Die aktuelle Situation kann man trotzdem Scheiße finden. »Normal« ist sie so oder so nicht.
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