Rezension: Christian Fleischhauer – Scrivener.

4260Die Schreibumgebung Scrivener ist ein komplexes Stück Software. Selbst langjährige Nutzer sind sich oft unsicher, ob sie Scrivener optimal einsetzen. Nun liegt endlich ein umfassendes Arbeitsbuch vor. Und das auf Deutsch!

Als ich Christian Fleischhauers Buch zur Hand nahm staunte ich nicht schlecht: 300 Seiten über eine Schreibsoftware, die es sich eigentlich zum Ziel gesetzt hatte, Autoren und Autorinnen mühselige Arbeit abzunehmen? Und das so einfach wie möglich? Wozu so ein dicker Schinken, ist doch alles klar und einleuchtend? Aber dann fiel mir meine Freundin ein, die ihr zweites Buch in Scrivener geschrieben hat – und nicht nur am Anfang mit der Bedienung und mit manchen Konzepten zu kämpfen hatte.

Ich setze Scrivener bereits seit 2007 für längere Texte ein, wie zuletzt in Sachen »Mac und iPad für Fotografen« beschrieben. Ich kenne die Software also gut. Aber Neulinge? Und wie gut kenne ich sie wirklich? Ja, Scrivener wird mit Tutorials und einem ausführlichen Handbuch geliefert, aber sie können bei weitem nicht alles abdecken. Hier will Fleischhauer mit seinem neuen Buch helfen. Und das macht er über weite Strecken auch für besagte Neulinge in leicht verständlicher Form.

Sinnvollerweise beginnt Fleischhauer mit den Grundkonzepten: Wie sind Projekte strukturiert? Was ist dieser eigenartige »Binder«, und wie funktioniert er? Was soll die Pinnwand, wenn es auch eine gewohntere Gliederungsansicht gibt? Und weshalb muss man seine Projekte »kompilieren« und soll sie nicht einfach exportieren, fertig? Auch mir als langjähriger Nutzer hat das Auffrischen der Konzepte gut getan, überraschenderweise besonders mit Kapitel 4, »Rund um den Editor« – die Sache mit den Voreinstellungen für Formatierungen und den Inline-Kommentaren hatte ich nie wirklich begriffen. Es lohnt sich also auch als Hardcore-Anwender, die ersten Kapitel nicht komplett zu überspringen.

Für versierte Nutzer beginnt der Spaß ab Kapitel 11 so richtig. In Scrivener Texte überarbeiten? Fleischhauer zeigt, wie das geht (und widerspricht damit überzeugend meinem letzten Artikel). Dass man eine Mindmapping-Software zusammen mit Scrivener nutzen könnte wäre mir nie in den Sinn gekommen, genau so wenig, wie meine Buchmanuskripte gleich in Scrivener für die Verlags-Stilvorlagen vorzubereiten.

Etwas mehr erhofft hätte ich mir vom Kapitel »MultiMarkdown und LaTeX«. Die zweiundzwanzig Seiten geben zwar einen guten Einstieg in die Thematik, aber hier fehlten mir detailliertere Ausführungen und Kniffe. Zugegebenermaßen sind sowohl MultiMarkdown als auch LaTeX eher Spezialgebiete und kaum etwas, das jemand nur wegen Scrivener frisch erlernen würde. Entsprechend dürfte die nötige Erfahrung vorhanden sein. Oder zumindest das Wissen, wo man weitere Informationen zum Thema finden könnte.

Fleischhauer bedient sich durchgehend einer exakten, verständlichen Sprache und zeigt realistische Beispiele. Auch ist das Buch so aufgebaut, dass man es zwar von vorne bis hinten durchlesen kann – wer aber Scrivener bereits kennt und sich für einen Teilaspekt wie »Drehbuchmodus« interessiert kann direkt im dazugehörigen Kapitel einsteigen. Die Einzelkapitel sind auch für sich alleine stehend klar und vor allem: nützlich.

Fazit.

»Scrivener – Romane, Sach- und Drehbücher professionell schreiben« erfüllt sein Versprechen. Das Buch stellt nicht eine »fehlende Anleitung« dar, es ist auch keine einfache Sammlung von Tutorials. Christian Fleischhauer hat ein Arbeitsbuch für die Praxis geschrieben. Vielleicht kein Wunder als Physiker und Mitglied der 42erAutoren.

Fleischhauer setzt dabei mehr auf Anwendungsszenarien als auf ein Herunterspulen vorhandener Funktionen. Romane schreiben? Hier die Werkzeuge dafür. Sachbücher formatieren? Das geht so. Wer gezielt Erklärungen zu einzelnen Funkionalitäten sucht kann sich aber an den Index halten.

Der Aufbau des Buches macht es auch erfahrenen Nutzerinnen und Nutzern einfach, das Wissen aufzufrischen oder bisher selten genutzte Arbeitshilfen besser kennen zu lernen. Neu-Einsteiger bekommen einen guten Einblick in die Konzepte, auf die Scrivener baut. Vor allem jedoch werden sie nach der Lektüre »korrekt« an die Anwendung herangehen: Auch wenn Scrivener Aufgaben von Textverarbeitungen wie Word oder Nisus Writer übernehmen kann ist es eine grundsätzlich andere Art von Software.

Ein nützliches Buch, das auch bei mir nach immerhin sieben Jahren (!) einige Hirnknoten gelöst hat. Entsprechend kann ich Fleischhauers Buch wärmstens empfehlen.

Christian Fleischhauer: Scrivener – Romane, Sach- und Drehbücher professionell schreiben. Heidelberg: SmartBooks 2014.

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