In früheren Glossen ließ ich durchscheinen, dass viele Texter eigenbrötlerische Egomanen seien. Niemand darf ins Getippsel quatschen! Und wenn der Kunde unzufrieden sein sollte, nun ja, dann ist das dessen Problem. Auch die Einmischung von Lektoren und Textredakteuren wird eher mit Argwohn beäugt. So ähnlich wie das Stück Käse vom Sommer 2001, das noch immer in Plastik gewickelt im Kühlschrank liegt und eine Generation Schimmel beherbergt, die gerade die Keilschrift erfunden hat. Aber ich schweife ab.
Kurz gesagt: Die Großzahl der Texter und Autoren möchte gerne ihr Ding durchziehen. So auch ich. Aber diese Woche habe ich etwas Interessantes erlebt, als ich mit einem befreundeten Schreiberling am Mac saß. Wirklich, wirklich interessant.
Irgendwie klingt das schmutzig und mein Kopfkino geht gerade ab.
Nein, nein! Nein. Total unschmutzig, Internet-Pornographie war nicht involviert. Aber – wir haben einen Text redigiert. Gemeinsam. Gemeinsam! Und ich fragte mich anschließend, ob ich den Einsiedler-im-Wald-Narr-aufm-Hügel-Ansatz verwerfen sollte.
Wir kannten uns zwar schon ein ganzes Weilchen, auch unsere Texte und ästhetischen Präferenzen. Aber keinem von uns wäre die Idee gekommen, jetzt gemeinsam Marketingblubber für ein Handwerksgewerbe zu überarbeiten. Ich fragte an einer besonders kritischen Stelle nach Vorschlägen, dreißig Sekunden später saßen wir am Rechner, tranken Bier und brachten die Texte in Form.
Und es war spannend. Ich kann nur jedem Textarbeiter empfehlen, es auch einmal mit einem Partner zu versuchen. Es macht Spaß und, na ja, vier Hirnhälften sind besser als zwei. Außer einer der Schreiberlinge hat Syphilis oder gerade einen psychotischen Schub. Dann bleibt es zwar meist lustig, aber der Kunde wird sich wohl fragen, was das Ganze soll. Und die Finanzierung weiterer Bier-Lektorate verweigern. Nicht schön.
Jedenfalls haben wir auch einige Sachen herausgefunden, die es bei der Zusammenarbeit zwischen Schreiberlingen zu beachten gilt. Entsprechend hier fünf Tips:
- Keiner ist der Boss. – Wenn man schon zusammenarbeiten möchte, sollte es auch gleichberechtigt bleiben. Klar, einer wird das Manuskript an den Kunden verschicken und muss gegebenenfalls den Kopf respektive die Telephonleitung hinhalten, aber das gibt ihm oder ihr noch lange nicht das Recht, einen auf König Arschloch zu machen.
- Pingpong zulassen. – Das Schöne an einer kreativen Zusammenarbeit ist das Hin- und Herspielen von Gedanken, Vorschlägen und Ideen. Je absonderlicher desto besser. Wenn die Sache hirnsturmmäßige Ausmaße annimmt, ist man auf dem richtigen Weg. Herumfuchtelnde Hände und erhobene Stimmen sind gute Indizien, dass man vorwärts kommt.
- Spaß muss sein. – Man darf auch gerne mal einen Entwurf mit interessanten Metaphern oder Beleidigungen versehen. Das fördert Punkt 2. Aber Achtung: Unbedingt sicherstellen, dass das korrekte Manuskript an die Auftraggeber geht. Die meisten Kunden finden es nicht sonderlich komisch, dass ihr Unternehmen als „Die Idioten-AG“ bezeichnet wird. Ausnahmen bestätigen die Regel.
- Auf Kollaborations-Werkzeuge verzichten. – Ja, ja, Google und Konsorten indoktrinieren gerade die ganzen Freischaffenden und kleinen Unternehmen, doch gefälligst auf diese komischen Internet-Plattformen zu wechseln. Da können mehrere Leute gleichzeitig an den Dokumenten werkeln! Woohoo! Tut mir ja schrecklich leid, aber so funktioniert eine fruchtbare Zusammenarbeit im kreativen Bereich nicht. Internet schön und gut, wenn man dem Mit-Texter nicht zwischendurch einen Wahrig an den Kopf werfen kann, läuft etwas schief.
- Betäubung hilft. – Okay, auch gute Tees, Zigarren und dunkle Schokolade sind nützlich. Aber mit einem Glas Whisky in der Hand kann der egozentrische Texter einfacher aus sich herausgehen und die Nähe einer ähnlich talentierten Person ertragen. Das Verletzungsrisiko für alle Beteiligten sinkt und das Manuskript wird schneller fertig, da man kein Blut aufwischen oder den Bestatter rufen muss.
Rückblickend kann ich allen meinen Lesern nur raten: Probieren Sie’s aus. Vielleicht sind Sie in Ihrer Einsiedlerhütte glücklich und zufrieden, aber hey – auch der ärgste Soziopath hat zwischendurch mal Lust auf zwischenmenschlichen Austausch. Ohne gleich in American Psycho oder 9 ½ Wochen abzudriften.
In diesem Sinne: Cheerio, Ms. Sophie!