Von Kommunikationskonzepten und G&T.

Ich hatte in anderen Glossen angedeutet, dass sich manche Texter gerne pompös als Kommunikationsberater bezeichnen. Ergibt ja auch irgend wie Sinn – guter Text ist nie losgelöst von der Gesamtkommunikation eines Kunden. Der Text muss sitzen wie der maßgeschneiderte Anzug aus dem letzten London-Urlaub. Also liegt es nahe, dass der Texter auch „Konzept“ anbietet. In einer idealen Welt setzt jeder Auftragsgeber entweder bereits so etwas ein oder verlangt auf Knien danach, ihm ein ebensolches auszuarbeiten.

Ja, ja. Die ideale Welt. Wo der Blick auf reißerische Schlagzeilen verzichtet und die NZZ sich öffentlich für das hässliche Redesign ihrer Zeitung entschuldigt. Die ideale Welt, wo sich alle lieb haben und es trotzdem nicht arschlangweilig wird. Die ideale Welt, wo das Wetter immer zu aktueller Stimmungslage und Wärmebedürfnis passt, und zwar für jeden Menschen individuell, überall. Genau.

Mein Sarkasmusdetektor schlägt gerade aus. Soll ich wirklich weiterlesen?

Natürlich. Aber ich schlage vor, den Detektor auf „stumm“ zu schalten, sonst legt gegebenenfalls der Nachbar einen brennenden Beutel mit Hundekot vor Ihre Haustür.

Kommunikationskonzepte sind gut und auch wichtig, zumindest dann, wenn der Auftraggeber einen professionellen Eindruck hinterlassen will. Die wirklich großen Firmen, besonders die multinationalen, haben entsprechend eigene Vademeca, die nicht selten umfangreicher als Dan Browns letzter Gehirnabfall sind. Die Sekretärin, der Abteilungsleiter, der Texter schlagen „Dorftrottel“ nach und finden den abgesegneten Euphemismus „Der geschätzte Kunde“. Das ist praktisch für den Schreiberling und praktisch fürs Unternehmen. Stichwort Public Relations.

Neben einem Vademecum setzen fast alle Firmen auch auf ein „Corporate Design“, beides zusammen soll die „Corporate Identity“ verbindlich definieren. Da findet der geneigte Webdesigner dann den Hex-Wert für den Grauton auf der Website und der Layout-Mensch den Millimeterabstand, den das Logo von der linken Blattkante aus haben soll.

Alles schön praktisch, alles schön festgelegt. Eine ganze Herde von Beratern, Designern, Feng-Shui-Spezialisten und memetischen Ingenieuren hat sich darum gekümmert und anständig Geld damit verdient.

Aber klar: Sobald ein freier Mitarbeiter etwas gestalten soll, sei es in Wort oder Bild, sind die dicken Broschüren gerade nicht auffindbar. Eine lange Zeit glaubte ich an Murphys Gesetz, aber mittlerweile bin ich zum Schluss gekommen, dass die Firmen sich selbst nicht sonderlich dafür interessieren. Es wird wohl irgend einen DIN-Paragraphen geben, nach dem man zertifiziert wird. Dann darf man ein weiteres dummes Logo auf die Website knallen, um die „geschätzten Kunden“ zu beeindrucken. Wahrscheinlich ist das Logo goldfarbig und passt nicht in die CD-Richtlinien des Unternehmens, aber hey – wat mut, mut.

Aber ich schweife ab. Fakt ist, dass man als Texter oft bereits schräg angeschaut wird, wenn man so einfache Fragen stellt wie: „Duzen Sie Ihre Kunden?“ oder „Verwenden Sie Eszett, und wenn ja, nach alter oder neuer Regelung?“ In den wenigsten Fällen konnten mir Projektleiter darauf vernünftige Antworten geben. Vernünftig wäre „Ja, Eszett nach Adelung“. Unvernünftig ist „Hm. Da habe ich noch nicht drüber nachgedacht. Ich setze mal ein Meeting mit meinem Chef an. Ich melde mich wieder“.

Geht es dann ums Stilistische, nun ja. Ich behaupte nicht, dass der gemeine Projektleiter keinen Sinn für Stil hat. Ganz im Gegenteil, die Leute haben klare Ideen davon, was guten Stil ausmacht. Aber zu oft können sie ihre Wünsche nicht adäquat in Worte fassen.

Viele Kunden haben zwar eine Vorstellung davon, was sie haben wollen, aber können sich nicht ausdrücken. Dann helfen auch Hinweise wie „jugendlich!“ oder „seriös!“ nicht weiter. Man steht als Schreiberling ohne Pferd in der Pampa und schleppt sich in „Reviews“ von Wasserloch zu Wasserloch. Und dabei gäbe es das Mittel des Wassertanks. Des bereits bestehenden Konzepts.

Ernsthaft, liebe potentielle Auftraggeber: Wenn ein Kommunikationskonzept vorhanden ist, dann drücken Sie’s dem Texter in die Hand. Wenn Sie keines haben und eher zu den „Großen Spielern“ gehören, dann lassen Sie sich eines erarbeiten. Das freut nicht nur den Feng-Shui-Meister, sondern auch den kleinen Textarbeiter, der lieber einen Gin&Tonic hätte als noch ein Review-Meeting, in dem er zu hören bekommt: „Nicht schlecht, aber irgend etwas stört mich daran, ich komme nur nicht drauf, was genau …“

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