World Schizophrenia Awareness Day 2023

Am 24. Mai wird jährlich weltweit an Menschen mit Schizophrenie gedacht. Silberne Schleife am Revers und so. Ich lebe im dazugehörigen Formkreis seit über 30 Jahren, ergo: 6 (Fehl)-annahmen über Menschen mit Schizophrenie.

Schizophrenie != gespaltene Persönlichkeit

Der Klassiker. Nope. Komplett anderes Krankheitsbild, I'm sorry, not sorry. In heftigen Fällen, und bei heftigen Anfällen, wird ned dissoziiert, da sind nicht irgendwie Jekyll-und-Hyde-mässig andere Personen da. Die eigene Person an und für sich zerfällt. Das ist nicht sonderlich geil, kann zu Panik führen, und Panik zu Aggression. Aber nope, da ist nicht plötzlich eine «andere Person», es mag nur so wirken.

Schizophrenie == Filterschwäche

In der Hinsicht sind Menschen mit Schizophrenie ähnlich unterwegs wie Autisten, oder Menschen, die sich mit Borderline herumschlagen, oder manche Ausdrucksformen von ADHS. Etwaige Infos, Sinneswahrnehmungen, Erinnerungen, Ideen kommen gleichberechtigt rein, und das Hirn darf dann versuchen, den gerade angemessenen Pfad zu wählen. Viel Glück.

Schizophrenie ?= gefährlich für Dritte

Okay, es kann natürlich gefährlich werden. Wenn die Welt plötzlich keinen Sinn mehr ergibt bekommt man Angst. Je nachdem, wie man so druff ist, kann man durchaus auch aggro darauf reagieren. Aber rein statistisch gesehen? Nun ja, uhuere viele, viel zu viele, Schizophrene verletzen oder gar töten sich selbst. Die meisten sind schon vor ihrem 40. Lebensjahr weg vom Fenster, entweder tot oder in stationärer Behandlung. Auch deshalb gibt's diesen Awareness-Tag.

Schizophrenie ?= magisches Denken

Ein Kern der schizophrenen Wahrnehmung ist, dass es überall Verbindungen gibt, dass man aber Zwischenschritte in der logischen Kette überspringt. Das kann durchaus dazu führen, dass es vom Umfeld als «magisches Denken» wahrgenommen wird. Lass bei

Butter -> shit, ich hab Bauchweh -> Laktoseintoleranz?

das «Bauchweh» in der öffentlichen Kommunikation weg, und dann ist Butter «Schuld» daran, dass halb Asien laktoseintolerant «ist».

Schizophrenie == Du merkst selbst nix von

Wenn Du drin bist, oder gar in einer voll ausgebildeten Psychose, dann erscheint das nicht als «komisch» oder «krank» oder «ich habe ein Problem». Die meisten Menschen mit Schizophrenie merken nicht, wenn sie in eine Psychose schlittern. Sie wissen nicht mal, dass sie schizophren sind. So ca. 0,3 Prozent bis 1 Prozent der Menschheit sind davon betroffen. Für die Schweiz wären das so um die sagen wir 80'000 Leute. Man könnte also 5x das Hallenstadion mit füllen.

Schizophrenie == uhuere mühsam fürs Umfeld

Ja. Ist so. Das ist der Grund dafür, dass es die silberne Schleife jeweils am 24. Mai überhaupt gibt. Bisserl speziell, aber okay, hätte lieber violett oder so, aber egal.

Wir sind wirklich verdammi anstrengend, und merken es nicht. Der World Schizophrenia Awareness Day ist vorwiegend für Angehörige gedacht. Ergo … Danke euch allen, die ihr Euch tagtäglich mit Schizos herumschlagt. Ich weiss ned, woher ihr die Energie nehmt, aber: Danke dafür.

Was habe ich 2021 gelernt? — Gesundheit und Wohlbefinden

Anstelle eines ereigniszentrischen Jahresrückblicks möchte ich darüber sprechen, was ich im Pandemiejahr 2021 alles für und über mich gelernt habe. Teil 5 von 5: Gab’s Dinge, die sich auch mit Blick auf Corona in Sachen körperlichem und geistigem Gesamtzustand geändert haben?

Keine Überraschung – im zweiten Pandemiejahr spielte Gesundheit eine zentrale Rolle bei der Frage, was ich denn aus dem Jahr 2021 an Gelerntem mitnehmen möchte. Deshalb beschliesse ich mit dieser Kategorie meinen Rückblick – in der dazugehörigen Liste findet sie sich an erster Stelle. Nun denn!

Schlaf, oh Schlaf, oh so wichtig

Binsenweisheit – der Mensch braucht Schlaf. Einerseits muss sich der Körper erholen, andererseits der Geist. Was ich aber 2021 feststellen musste, ist, dass ich als mittlerweile 46jähriger deutlich häufigere Erholungszeiten benötige, als zuvor. Noch vor fünf Jahren lachte ich etwa über das Konzept des Mittagsschlafs, und so Dinge wie autogenes Training oder gar Meditation waren vielleicht für Menschen in besonderen Lebenssituationen interessant, aber sicher nicht für mich. Dass die App-Stores voller «Mindfulness»-Apps sind? Schlechter Witz!

Nun ja, ihr könnt Euch die Punchline sicher denken. Mittlerweile halte ich an durchschnittlich fünf von sieben Tagen Schläfchen. Und mache meine tägliche Achtsamkeits-Meditation. Am meisten brachte es mir aber, auf guten Nacht-Schlaf zu bestehen. Das müssen nicht einmal acht Stunden sein, so sechs bis sechseinhalb reichen dicke – aber die müssen gut sein. Hier hilft es mir, wenn ich nicht zu spät zu Abend esse. So 6-8 h vorm Hinlegen ist ideal.

Sozialkontakte können ein Grundbedürfnis sein

Eine grosse Überraschung für mich war, wie wichtig Sozialkontakte für mich sind. Mein Selbstbild war immer das eines Eigenbrötlers. «Ich bin allein, aber nicht einsam» war seit der Kindheit mein Lebensmotto. Eine Handvoll enge Kontakte würden mir ausreichen, dachte ich. Da hat mich 2021 eines besseren belehrt. Zufallsbegegnungen und Gespräche sowohl mit Freunden als auch mehr oder weniger entfernten Bekannten geben mir Perspektive, rücken meinen Kopf und meine Position als Teil der Gesellschaft zurecht – besonders während der Corona-Pandemie ein wichtiger Punkt, Stichwort «Bubble». Selbstverständlich sind nicht alle Begegnungen oder Konversationen super, besonders nicht online. Aber offen zu bleiben und es trotzdem zuzulassen, bei Bedarf sogar aktiv zu suchen? Das war etwas, das ich erst lernen musste, so komisch es klingen mag.

Nicht zu lange zögern, wenn etwas rumzickt

Einige haben es mitbekommen, ich verbrachte 2021 vergleichsweise viel Zeit im Krankenhaus. Anfangs Jahr zickten meine Gelenke dermassen rum, dass ich in der Rheumatologie ein und aus ging. Das kannte ich schon, kommt vor. Aber dann spuckten Bauchspeicheldrüse und Gallenblase, nun ja, Gift und Galle. Mitte Oktober durfte ich auf die Notaufnahme, um dann die nächsten acht Tage zwischen drei verschiedenen Krankenhäusern herumgeschoben zu werden. Und, deshalb kam’s auf meine Liste: Das wäre unter Umständen so nicht nötig gewesen.

Denn dass meine Gallenblase immer wieder mal rumzickt(e), gehörte über 10 Jahre lang zu meinem Körpergefühl. War auch medizinisch kein echtes Problem, meinten meine Ärzte. Aber ich habe alle gefährlicheren Warnzeichen ignoriert. Bereits im Juni, Juli wäre eigentlich klar gewesen, dass es sich um mehr als das übliche Rumgezicke handelte. Ich gehe nicht in die Details, aber nun ja, der ganze Notfallzirkus inklusive Operationen, noch dazu mitten in einer Pandemie, hätte ich mir und dem Gesundheitssystem ersparen können. Entsprechend steht nun ganz zuoberst auf meiner Jahresliste: Lieber zu früh als zu spät zur Ärztin, egal, ob es um Körper oder Psyche geht.

Schlusswort

Ja, die Psyche. 2021 war für viele von uns ein schwieriges Jahr. Wir haben Freunde, Bekannte, Familie verloren – oder Rücklagen, oder den Job. Freundschaften gingen in die Brüche. Und auch mit unseren Köpfen stellt die Pandemie-Situation Dinge an, mit denen wir umgehen lernen müssen. Vor einiger Zeit hatte ich dazu geschrieben:

Die psychologische Komponente darf nicht vergessen werden, noch für viele Jahre, nachdem Corona endlich «durch» sein wird. Wir sind individuell und als Gesellschaft aus dem Tritt gekommen, könnte man sagen.

Entsprechend möchte ich auch diesen Jahresrückblick mit einem Infoblock abschliessen:

Falls Ihr Hilfe braucht, hören Euch in der Schweiz telefonisch (u.a.) Pro Mente Sana unter 0848 800 858 und Die Dargebotene Hand via 143 zu. Beide bieten ebenfalls Beratung über E-Mail an, die 143 auch in einem Chat. Pro Mente Sana kann ich persönlich empfehlen, sie haben mir schon vor Jahren durch Krisen geholfen.

Der bessere Freund.

Filmriss.

»Alles in Ordnung mit dir, Martin?«

Ich saß im Büro, vor mir kauerte mein Chef. Er hielt mich an den Schultern fest und schaute mir konzentriert in die Augen. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht und wunderte mich darüber, dass meine Hand nass war.

»Ja, alles in Ordnung. Ist etwas?«

Mein Chef schien erleichtert. Dann hustete er. »Nun ja, du bist auf dem Hof im Kreis herumgelaufen und hast dabei gemurmelt. Ich habe dich sicher fünf Minuten beobachtet, aber du gingst immer weiter im Kreis herum, sehr schnell; kein Wunder, dass du jetzt schweißüberströmt bist.« Ich musste feststellen, dass ich tatsächlich klatschnass war. Das Hemd klebte an meinem Oberkörper und die Krawatte hing auch nicht besonders ordentlich. „Der bessere Freund.“ weiterlesen