Spätestens wenn das schlechte Gewissen hochkommt, weil sie zu lange schwarz gearbeitet haben – oder wenn ein Kunde unangenehme Fragen wegen der Rentenkassen-Pflicht stellt –, werden sich vernunftbegabte Jungtexter wundern:
Wie werde ich überhaupt offiziell selbständig? Und bin ich wirklich freischaffend oder doch eher gewerblich tätig?
Die Antworten auf diese Fragen hängen, wie könnte es anders sein, natürlich vom Ort der Tätigkeitsausübung ab. Da ich mich in Deutschland darum kümmern musste und nur ansatzweise in der Schweiz, wird dieser Artikel wohl für die meisten Schweizer Leser nicht sonderlich hilfreich sein. Aber vielleicht interessant? Wir werden sehen.
Klar ist jedenfalls sowohl für die deutschen als auch die Schweizer Behörden: Wer Geld mit einer selbständigen Tätigkeit verdient, muss das auch irgendwie melden. Sei es wegen der Steuern, sei es wegen der Sozialabgaben. Die Schweizer sind aber relativ großzügig. Soll heißen: Wenn man nicht mehr als rund 2 000 Franken im Jahr (dazu)verdient, darf man sich die Anmeldung als Selbständiger sparen. Dann fallen auch keine zusätzlichen Kosten für die AHV an. Es reicht, wenn man’s einfach bei der Steuererklärung angibt. Deutschland kennt ebenfalls einen Freibetrag für selbständige Tätigkeit – € 1 800, wenn ich mich richtig erinnere. Wenn man aber wie ich gerade frisch in Deutschland angekommen ist, muss man sich auch mit Mini-Einkommen anmelden. Denn dann ist man steuerlich noch überhaupt nicht erfasst.
Und jetzt wird’s in Deutschland etwas kompliziert. Aber nur etwas.
Anders als die Schweiz kennt Deutschland sogenannte „freie Berufe“. Dazu gehören neben bildenden Künstlern zum Beispiel auch Rechtsanwälte und niedergelassene Ärzte. Fällt eine Tätigkeit nicht unter die Freiberufs-Klausel, dann muss man ein Gewerbe anmelden. Selbst dann, wenn es nur um ein paar hundert Euro im Jahr geht. Lustig ist’s insbesondere für Leute im graphischen Gewerbe: „Designer“ gilt in der Regel als freier Beruf (da das Künstlerische überwiegt), aber wenn man vielleicht zweimal im Jahr für einen Kunden mit der Druckerei verhandelt, ohne dass man selbst fürs Design zuständig war, ist’s gewerblich. So kommt es, dass in Deutschland viele Freiberufler nebenbei auch ein Gewerbe angemeldet haben. Halt für die Fließbandarbeit.
Gilt ein Texter denn nun als „freischaffend“ oder „gewerblich?“ Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Das muss das örtliche Gewerbeamt entscheiden. Entsprechend hilfreich kann es sein, wenn man sich auch als Texter aufs Künstlerische beruft. Bei der Anfrage, ob man denn ein Gewerbe anmelden muss, schreibt man am besten etwas von „Schwerpunkt Textkreation“ oder ähnlich. In den meisten Fällen kommt dann das Okay vom Gewerbeamt: Man sei freiberuflich tätig, kein Gewerbe. Jubel! Dreißig Euro gespart!
Mal abgesehen von der Stange Zigaretten, die man sich jetzt zusätzlich leisten kann – was heißt das konkret? Man kann sich als Kleinunternehmer anmelden und ist so nicht umsatzsteuerpflichtig, braucht entsprechend auch keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und muss keine Umsatzsteuererklärung ausfüllen (darf man aber alles machen, wenn man mag). Man zahlt auch keine Gewerbesteuer. Es reicht eine Einnahmenüberschussrechnung, Bilanz muss man nicht führen. Geschäftsplan oder so etwas braucht man auch nicht. Einfach nur eine Steuernummer. Diese wird vom Finanzamt vergeben.
Ja, das deutsche Finanzamt und seine Formulare. Man darf sechs Seiten ausfüllen, gegebenenfalls noch Beilagen zusammensuchen, alles eintüten und ans Finanzamt schicken. Geht ja noch. Dann wartet man ein paar Wochen, und bekommt seine Steuernummer. Oder einen wütenden Anruf vom Finanzbeamten, da man vergessen hat, einen der 166 Punkte korrekt anzugeben. Also füllt man das Formular nochmals aus, tütet es nochmals ein, schickt es nochmals ab, wartet nochmals, und: Yay! Man ist offiziell selbständig und freischaffend! Und darf sich der nächsten Hürde annehmen – Rentenkasse und Sozialversicherung. Dazu dann in einem anderen Beitrag mehr.
Die Schweiz ist, etwas überraschend, eigenwilliger. Denn sie prüft zuerst: Ist die Tätigkeit, die man anmelden möchte, überhaupt „selbständig?“ Diese Abklärung erledigt die Sozialversicherungsanstalt (SVA) des jeweiligen Kantons. Das Formular für die Anmeldung ist nur vier Seiten lang. Whee! Dafür muss man möglichst viel Material beilegen. Mist! Denn die SVA geht – wie an anderer Stelle schon erwähnt – davon aus, dass im Zweifelsfall eine „Scheinselbständigkeit“ vorliegt. Also darf der frischgebackene Texter alles einschicken: von Visitenkarten über bereits gestellte Offerten und Rechnungen bis zur URL einer geschäftlichen Website, Briefpapier, Zeitungsannoncen und so weiter.
Man sollte auch tunlichst darauf achten, im Formular die richtigen Antworten zu geben – insbesondere bei den Fragen zum „geschäftlichen Risiko“ und „Honorar oder Lohn?“. Eine Chance, die Selbständigkeit belegt zu bekommen, hat man in den meisten Fällen nur, wenn man mindestens drei bis fünf bestehende Kunden vorweisen kann. Was auch heißt, dass die SVA einem etwas Zeit für die Anmeldung gibt. So ein Jahr nach der Arbeitsaufnahme sollte man sich dann aber doch melden. Sonst wird die SVA grantig, und das will man als Jungtexter nun wirklich nicht.
Auch in der Schweiz gilt für viele selbständige Texter: nicht unbedingt umsatzsteuerpflichtig. Das kann ein Fluch oder ein Segen sein. Aber auch dazu später mehr.
Ein Gedanke zu „Der Texter als Freier.“