Ich muss an dieser Stelle nicht wiederholen, was mit dem Kurznachrichtendienst X, née Twitter, geschehen ist. Die Zeitungen (und Twitter) waren und sind voll davon. Und natürlich waren auf Twitter auch vor Musks Kamikaze-Management nicht immer nur Rosen und Champagner angesagt. Wer erinnert sich nicht an die Disinformationskampagnen, die mit Trumps Nominierung als Kandidat der GOP einher gingen – nein, nicht die jetzige, sondern bereits 2016.
Und es wurde nur schlimmer. Menschen wurden während den Anfängen der Covid-Pandemie systematisch auf Twitter fertig gemacht und in den Selbstmord getrieben. Doxxing, Dogpiling, Shitstorms und noch viele andere unangenehme Vokabeln mit US-amerikanischem Flair gab es auf Twitter schon immer, aber haben massiv an Fahrt aufgenommen. Und dann, unter dem selbsterklärten «Free Speech Absolutist» Elon Musk, sind Homo- und Transhass, unironische Mordaufrufe, offen gezeigte Nazi-Sympathien, systematische Lügen, Antisemitismus, Rassismus und einfach nur Hass in der konzentriertesten Form nicht nur normal geworden. Sondern zunehmend die Norm.
Nope. Da habe ich keinen Bock darauf, 14 Jahre Aktivität auf der Plattform hin oder her.
Ich möchte ein solches Geschäftsmodell, das Hass via Algorithmen anheizt, weil es «engaging» ist, nicht unterstützen. Ich will nicht Menschen mit zweifelhaften und menschenfeindlichen Ideen indirekt eine Plattform und direkt mein Ohr bieten, weil besagter Algorithmus das ständig hochschiebt. Ich will nicht für Werbetreibende interessant sein, die damit kein Problem zu haben scheinen – einen Monat im Jahr den Avatar mit Regenbogenfarben zu versehen wird ja wohl genügen, um ein bisserl Imagepflege zu betreiben, ne?
Vor allem aber habe ich wirklich genug von diesem ganzen Hass. Hass, den der Besitzer der Plattform auch noch selbst aktiv anfeuert. Und im Gegenzug die wenigen Werkzeuge, die wir Nutzende haben, um uns dagegen zu wehren, nach und nach kastriert. Von den Entlassungen in den Moderations-Teams bis hin zu den angedachten Einschränkungen der Block-Funktion – nope. Will ich nicht, brauche ich nicht.
X und soziale Medien im Allgemeinen leben von den Inhalten, die die Nutzenden selbst erstellen. Wenn sich X lieber auf Nazis, Cryptobros und Reaktionäre konzentrieren will, darf die Plattform das selbstverständlich tun. Freies Land und so. Aber dann nehme ich mir auch die Freiheit, zu sagen: Nope, ohne mich.
Ich lösche meinen Account nicht – nicht, weil er schon 14 Jahre existiert und ich eine emotionale Bindung zu ihm habe. Sondern weil verschiedene lieb gewordene Nutzerinnen und Nutzer aus verschiedenen Gründen an X gebunden sind und nur so mit mir, via Direktnachrichten, in Kontakt bleiben können. Wer aber etwas flexibler ist oder es sein kann, der findet mich vorwiegend auf Mastodon. Dort ist zwar auch nicht alles Gold, was glänzt. Die Community, besonders im deutschsprachigen Raum, kann teilweise sehr forsch auf Regeln pochen, die Neulinge nicht kennen oder deren Sinn fragwürdig ist. Auch dort gibt es nicht nur Rosen und Champagner.
Aber der grosse Unterschied zu X, Bluesky, Threads und was es noch so alles gibt: Ich kann nicht nur nervige Nutzende stummschalten oder blockieren. Ich kann gleich einen ganzen Kuchen von Nervnutzenden auf einen Rutsch blockieren. Und wenn die Instanz, auf der ich zu finden bin, irgendwann untergeht – sei es wegen der Technik, dem Geld oder eben Hass-Idioten wie auf X? Dann kann ich einfach sagen: Nope. Und wechseln, ohne, dass ich gleich 14 Jahre an Verbindungen, (bald) Inhalten und vor allem Menschen zurücklassen muss.
Vielleicht sieht man sich ja im Mastodon-Netz. Vielleicht auch nicht. Aber ich kann wirklich nur jedem und jeder nahelegen – denkt wirklich darüber nach, was X-ehemals-Twitter Euch noch bietet, und bieten können wird. Denn Ausharren und aufs Beste zu hoffen ist unter den gegenwärtigen Vorzeichen wohl eher keine Option.