«Sonstiges» ist, wie man erahnt, meine Sammelkategorie für alle Dinge, die es nicht in eine der anderen Kategorien meiner «Was habe ich dieses Jahr gelernt?»-Liste schaffen. Weshalb bringe ich dieses Sammelsurium bereits an dritter statt an letzter Stelle? Na, weil ich mir die Kategorie «Gesundheit und Wohlbefinden» für den Schluss aufsparen möchte, «Bass und Musik» aber fürs Mittelfeld zu wichtig in meinem Leben ist. Sehr viel Verschiedenes hat sich bei «Sonstiges» angesammelt, stellvertretend habe ich mir drei Punkte für diesen Beitrag herausgepickt.
Check your Privilege
Der Begriff «Privileg» wurde 2021 ein bisserl inflationär verwendet. Einerseits gingen die Debatten über White Privilege und die sprichwörtlichen «alte weisse Männer» weiter, andererseits echauffierten sich viele Gegnerinnen und Gegner der Coronavirus-Massnahmen an etwaigen Privilegien, die Maskentragende / Geimpfte / Getestete / Dreifach-Geimpfte geniessen würden. Unterdrückung! Apartheid! Was ich mir dazu notiert habe, entstand im Gespräch mit Soziologie-Bekannten:
«Privileg» in diesem Sinne heisst nicht, dass man Vorteile hätte. Sondern, dass man in der Hinsicht keine systemischen Nachteile erdulden muss.
Stichwort ist hier «systemisch» – wenn in einer Notlage wie einer laufenden Pandemie der Zugang etwa zu Bars und Clubs reglementiert ist, hat das nichts mit ungerechtfertigen Privilegien für Geimpfte zu tun. Mit wenigen Ausnahmen könnten alle Kritiker:innen in den Genuss derselben «Privilegien» kommen, kostet nur die Wartezeit für die Impfung. Sie sind nicht aufgrund ihrer Geburt, Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung etc. ausgeschlossen. Es sind temporäre Massnahmen Aufgrund besagter Notlage, nicht Teil dessen, wie die gesamte Schweizer Gesellschaft funktioniert.
An die, und in, Reserven denken
Ich weiss nicht, wie es Euch dabei geht. Aber ich wuchs in einem ärmlichen Haushalt auf, ohne Auto oder genug Geld, um grössere Mengen Nahrungs- und Verbrauchsmittel einzukaufen. Später lebte ich jahrelang in einer kleinen Wohnung im Aargau und pendelte jeden Tag nach Zürich, kaufte entsprechend Dinge des täglichen Bedarfs unterwegs ein. Tiefkühler oder nur schon eine Besenkammer für ein paar dutzend Rollen Toilettenpapier waren nicht vorhanden.
Kurz: Ich war es mir bis weit in meine 30er nicht gewöhnt, Vorräte anzulegen und in Reserven zu denken. Das schlug sich auf die meisten Belange nieder, von finanziellen Rücklagen bis zu besagtem Toilettenpapier. Seither wurde es besser, aber erst durch die Pandemie lernte ich, aktiv darauf zu achten: Wechsle ich gerade automatisch in eine Abwehrhaltung, da es um Vorräte geht? Mir ist bewusst, dass bei weitem nicht jede und jeder Vorräte anlegen oder Investitionen fürs Alter (oder Notfälle wie eine Pandemie) tätigen kann. Der Punkt ist eher so zu verstehen: Schön, dass ich für mich einen Knopf im Kopf lösen konnte – auch wenn es tagtägliche Arbeit für mich darstellt, den Knopf auch gelöst zu halten, damit uns nicht doch noch mitten in den Feiertagen das Heizholz ausgeht.
Nachhaltig(er) konsumieren
Verwandt damit ist, dass ich endlich verstanden habe, dass nachhaltiger(er) Konsum tatsächlich Sinn hat. Nicht einfach nur so à la «ja, wäre schon noch sinnvoll», sondern dass es «Klick» gemacht hat. Entsprechend frage ich mich bei jedem Kaufimpuls zuerst einmal:
- Brauche ich das wirklich?
- Kann ich das alte Ding weiterverwenden, oder reparieren, oder anpassen, damit ich es noch ein Weilchen nutzen kann?
- Falls dann doch ein Kauf ansteht: Geht das auch auf dem Occasion-Markt?
- Und falls nicht: Liesse sich das neue Ding (relativ leicht) reparieren, und hat sich das Produkt über viele Jahre bewährt?
Ich bin noch weit davon entfernt, das konsequent in allen Belangen durchzuziehen; so bin ich zum Beispiel immer noch voll im Apple-Garten gefangen. Baby steps.
Auch hier gilt allerdings, wie bei der Sache mit den Rücklagen – check your privilege. Nachhaltiger Konsum mag längerfristig finanziell günstiger kommen, aber initial muss man es sich erst einmal leisten können. Man kann nicht von sich auf andere schliessen. Vielleicht geht es nicht anders, als dass du dir jedes Jahr eine neue Billig-Winterjacke kaufen musst, weil die paar hundert Franken für etwas Ordentliches schlicht nicht da sind. Terry Pratchett nannte das die Stiefel-Theorie der ökonomischen Ungerechtigkeit.