Was habe ich 2021 gelernt? — Einführung

Anstelle eines, hmm, ereigniszentrischen Jahresrückblicks möchte ich darüber sprechen, was ich im Pandemiejahr 2021 alles für und über mich gelernt habe. Teil 1 von 5: Wie und weshalb eigentlich?

Ich führe Tagebuch. Schock! Wie altertümlich! Mag sein, aber ich habe gemerkt, dass es mir gut tut, wenn ich den Tag mit ein paar kurzen Notizen ad acta legen kann. Nennen wir es Psychohygiene. Früher füllte ich Notizbücher damit, seit geraumer Zeit erledige ich diesen Tagesabschluss digital, mit 366 Markdown- bzw. Textdateien verteilt auf zwölf Monatsordner.

Vor zwei Jahren blieb mir in Sachen «Journaling» etwas aus einem mittlerweile verschollenen Produktivitätsblog hängen:

Es hat Sinn, wenn man nicht nur die Ereignisse und Arbeitsschritte des vergangenen Tages dokumentiert, sondern auch reflektiert – und sich dabei auf Positives, Konstruktives besinnt.

Gelesen, darüber nachgedacht, für gut befunden. So führe ich nun also seit 2019 nicht nur Buch darüber, welche Aufträge ich erledigt, welche Tonleitern ich eingeübt oder mit welchen körperlichen Gebrechen ich mich herumgeschlagen habe. Sondern notiere mir auch oft recht schwammige, manchmal sehr konkrete Dinge, die ich «gelernt» habe. Konkret habe ich zwei Fragen, die ich jeden Tag zu beantworten versuche:

  1. Welche Dinge haben mich heute glücklich oder zufrieden gemacht?
  2. Was sind Dinge, die interessant waren und die ich im Auge behalten sollte?

Recht oft steht dann da in der Textdatei «nix», aber man soll ja auch, aha, nix erzwingen.

Ein Mal die Woche, während meines wöchentlichen Reviews, übertrage ich etwaige so gewonnenen Gedanken und Erkenntnisse in ein anderes Dokument – besagte «Was habe ich dieses Jahr gelernt?»-Liste. Ich ordne die überarbeiteten Schnippsel in vier Kategorien, «Gesundheit und Wohlbefinden», «Arbeit und Technik», «Bass und Musik» sowie «Sonstiges».

Und Ihr ahnt schon, wie mein Jahresrückblick nun aussehen wird, ne? Bis Ende Jahr werde ich hier in vier weiteren Beiträgen die Zusammenfassung jeweils einer dieser Kategorien reinstellen. Einerseits, weil ich denke, dass die eine oder andere Idee auch für Euch nützlich sein könnte. Andererseits damit ich, passend zum Jahresende, selbst noch einmal darüber nachdenken kann. Auch wenn die Listen ja bereits reflektierte Eindrücke sammeln sollten. Hmm. Meta-Reflektion!

Es ist immer noch Pandemie, imfall. Besonders für die Pflegenden.

«Leben und Leben lassen» und «Soll doch jeder das tun, was er/sie für richtig hält», «das Covid-Zertifikat spaltet die Gesellschaft» und so weiter gilt erst dann, wenn wir als Gesellschaft der Meinung sind: jetzt ist Covid endemisch. Aber das ist kurz- und mittelfristig besonders aus Sicht der Pflegeversorgung nicht etwas, was man möglichst schnell möchte.

«Covid ist eh endemisch, also alle Massnahmen aufheben, die Pandemie ist vorbei!» Das gilt dann, wenn wir uns als Gesellschaft wie z.B. bei der Influenza auf eine vertretbare Anzahl Tote und Langzeitgeschädigte geeinigt haben werden, und das Pflegefachpersonal und die medizinischen Ressourcen, auch bei Spitex und Konsorten, mit dieser Einigung umgehen können werden. Wie’s den Betroffenen in Sachen Gesundheitsversorgung, etwaigen Anmeldungen zur Invalidenversicherung oder wie bei den gekündigten Longcovid-Pflegekräften gehen sollte, lassen wir mal aussen vor. Das machen wir ja sowieso bei vielen Krankheiten und Gebrechen seit langem. Covid und Longcovid werden sich da irgendwann neben Depression, Grippeschäden und Schleudertrauma einreihen.

Weniger Covid auf der IPS? Cool, dafür die ganzen verschobenen Behandlungen

Aber … davon sind wir in der Schweiz noch mindestens 3-4 Monate entfernt. Mindestens. Persönlich rechne ich mit 6-12 Monaten, optimistisch gesehen. (Falls man das Optimismus nennen möchte, vermeidbare Krankheitsfälle zu dulden.) Denn besagtes Pflegefachpersonal hätte auch gerne mal wieder «Normalzustand». Stattdessen ist seit bald 20 Monaten Dauerstress angesagt. Ist ja schön, wenn die Covid-Fälle auf der Intensiv und auf den Pflegestationen zur Zeit einigermassen stabil bleiben. Aber gleichzeitig werden zehntausende bisher aufgeschobene Behandlungen nach und nach abgearbeitet.

Entlastung der Pflegefachkräfte: Null. Jeder einzelne, jede einzelne Impfgegnerin, der / die sich ansteckt und behandelt werden muss, und jeder einzelne Covid-ist-nicht-schlimmer-als-Grippe-Mensch ist in diesem Zeitraum eine*r zu viel. Auch für diejenigen ohne kurzfristig lebensbedrohliche Erkrankungen oder Schädigungen, deren Behandlung aber halt einen IPS-Platz bedürfte, also mal so bis 2022 oder so aufgeschoben werden muss.

Winter is (perhaps? probably?) coming

Und nun ja, wir hatten gerade mal 3 Wochen Herbst. Die schön warm und angenehm waren. Draussen rumsitzen, jetzt sind gerade Herbstferien, alles super. Aber langsam kommt halt der Winter. Und der Schutz der Leute, die früh im 2021 geimpft werden konnten, lässt nach. Und wir haben für die westliche Welt fast einzigartig viele Ungeimpfte, und mehr und mehr Pflegende haben die Nase voll. Das Potential für einen pflegerischen GAU ist beträchtlich.

Wäre ich eine Skisport-Destination oder Gastro-Unternehmen, ich würde spätestens jetzt so viel für die Impfung, und mögliche Auffrischimpfungen weibeln, wie nur geht. Und als FaBe oder FaGe würde ich noch mehr Wind für die Pflegeinitiative machen, als bereits geschehen.

Und als Politiker*in? nun ja. Zum Glück für sie haben wir erst 2023 nationale Wahlen, das kann man wohl aussitzen. Tun jedenfalls viele dieser Leute seit bald 20 Monaten.