In München steht ein Hofbräuhaus. Eins, zwei, gsuffa.

Keine Bange, schon sehr bald wird es in Sachen Texterei weitergehen. Ich habe nach meiner Rückkehr in die Schweiz genug erlebt, um darüber ein halbes Dutzend Glossen zu schreiben. Aber nicht heute.

Nein, heute beschäftigen wir uns mit einem Aspekt des Schriftstellerdaseins. Einem wichtigen Aspekt. Einem, der immer wieder vergessen geht. Einem Aspekt, den auch ich übersehen habe.

Ja ja, wir haben es kapiert. Worum geht’s denn überhaupt?

Lesungen. Enttäuscht?

Ja, schon ein bisserl.

Der letzte Samstag war interessant: Meine erste Literaturlesung stand an. Nach Gymnasium, Studium und Festanstellung war ich es mir gewohnt, vor Menschen zu sprechen. Tutorium in Altenglisch? Wa bið þam þe sceal und so? Kein Problem. Und ich war oft genug an irgendwelchen Veranstaltungen, um die Dienstleistungen meines damaligen Arbeitgebers publikumswirksam anzupreisen. Oder zumindest billigen Fusel auszuschenken, was an der InternetExpo Zürich in etwa dasselbe ist.

Nein, das Publikum macht mir wenig Mühe. Viel mehr meine eigenen Texte.

Die Story erschien zwar erst vor kurzem, aber getippselt hatte ich sie zwei Jahre zuvor, auf die Veröffentlichung in einer Kurzgeschichtensammlung hoffend. Also hielt ich mich ans Register der Anthologie, an Lovecraft angelehnt, mit allen möglichen passenden linguistischen Feinheiten, Absatzstruktur und so weiter. Mediengerechte Dinge, die gedruckt Sinn haben. Und dann kam vor ein paar Wochen die Anfrage meines Verlegers, ob ich nicht in München vorlesen mag?

Na sicher doch!

Oh. Moment.

Was denn?

Geschriebenes. In Tagebuchform. Daten sowie sich wandelnde Schreibarten, um den psychischen Verfall, die Wandlung (Metamorphose, haha) des Protagonisten zu illustrieren. Also alles Dinge, die auf dem Papier gut funktionieren. Vorgelesen jedoch weniger ersichtlich sind als die Aschewolke von Eyjafjallajökull. Und mit Wetterballonen wollte ich auch nicht herumspielen. Das hätte doch eher lächerlich gewirkt.

Aber ich wurde dann doch in die zwingenden Voraussetzungen einer gelungenen Lesung eingeführt:

  • Alkohol.
  • Eine geile Venue, wie man das so bildungsbürgerisch nennt.
  • Interessierte Zuhörer.
  • Eine MusikerIn, besser zwei. Einer davon muss nicht eimal gegendert sein.
  • Mehr Alkohol.
  • Bücher, so zum Durchblättern.
  • Der Reporter vom Lokalblatt. Im Idealfall kurz vorm Rausschmiss, i.e. ohne Skrupel.
  • Habe ich schon Alkohol erwähnt?

Ja, flüssige Gefäßerweiterungen helfen. Besonders dann, wenn einer der Musikanten ein großes, großes Rohr herumschwenkt und man sich fragt, ob man in der BILD landen wird. „Mitten in Bayern: Literaturfreunde mit indianischem Nudelholz erschlagen!“

Es geht natürlich auch um die Vermarktung. Da helfen gegebenenfalls diese ganzen komischen Sozialen Netzwerke, weil sie viel zielgerichteter sind als das Plakat an der Litfaßsäule. Um mein eigenes unbedeutendes Beispiel hervorzukramen – 10 % der Zuhörer waren Leute aus meinem Foren-Bekanntenkreis. Und sie waren deutlich besser gekleidet als der Rest. Das sagt doch alles, nicht?

Als Autor prostituiert man sich also ein bisserl, klar. Dafür gibt es Montepulciano in rauen Mengen. Bei den meisten Lesungen wird das nicht zu teuer für die Veranstalter – unser Lokal zumindest war klein, so dass man Social-Media-Kampagnen mit viel Ausspähen der Target-Audience hat vergessen können. Worüber ich nicht zuletzt als ehemaliger Redakteur der Piratenpartei Schweiz froh bin. Das wäre sonst etwas gar janusköpfig.

So oder so: Kleinkunst rockt! Grandios, wie sich Menschen neben dem regulären Job für Kultur einsetzen. So stelle ich mir das Ideal einer modernen Gesellschaft vor. Leute, die freiwillig das machen, was ihnen Spaß bereitet. Lesen, organisieren, Bücher verkaufen. Ohne großartige Gewinnabsicht, ohne dummes Marketing, ohne überteuerten Schaumwein. Dann ist der Autor glücklich. Und die Piraten auch.

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