GTD für Freischaffende.

David Allens «Getting Things Done»-Methode hat viele Anhänger. Auch unter Software-Entwicklern, die auf allen möglichen Plattformen um das Interesse der zeit-managenden Kundschaft buhlen. Nach einem halben Jahr mit Papier und Stift kehrte ich allerdings digitalen Lösungen den Rücken zu.

filofax

Der Computer soll einem Arbeit abnehmen. Das funktioniert besonders gut bei Dingen, die repetitiv und ein bisserl langweilig sind – Posteingang, Dateien organisieren, oder eben auch: Aufgaben. Programme zum Verwalten von Aufgabenlisten gibt es schon so lange, wie es digitale Rechenknechte gibt. Applikationen, die sich an GTD orientieren, sind oft neueren Datums, erfreuen sich aber großer Beliebtheit. So zum Beispiel OmniFocus der, nun ja, Omni Group.

Ich wurde euphorisch, als OmniFocus angekündigt wurde, und landete schnell im Betatest-Team. Endlich eine Aufgabenverwaltung, die so funktionierte, wie ich es wollte. Respektive wie ich es mir gewohnt war und jahrelang mehr schlecht als recht mit Outlook und Thunderbird zu replizieren versuchte. Ich schrieb gar eine flammende Rede, weshalb OmniFocus das beste Produkt aller Zeiten sei, wichtiger als Kondome, Toast-Brot und kosmischer Frieden und Harmonie zusammen.

Nun ja. Kann passieren.

WAS ist denn passiert?

Ich verwende zwar beruflich Macs, aber mein Handy muss eine echte Tastatur haben. Und den Akku will ich bei Bedarf auch wechseln können. Kurz: Ich habe kein iPhone, entsprechend hatte ich auch nie ein einheitliches System, um meine Aufgaben zu erfassen und im Blick zu halten. Ich bediente mich Fresszettel und E-Mails, die ich dann daheim am Mac in OmniFocus einpflegte. Wenn ich daran dachte, synchronisierte ich meinen iPod damit. Aber wirklich sinnvoll war der Ansatz nicht, was ich nach drei Jahren und zig verdödelten Deadlines auch endlich lernte.

Dann fragte ich mich: Weshalb soll ich mich in einem für einen Freischaffenden so wichtigen Punkt wie der Task-List von der Infrastruktur abhängig machen? Ich weiß nicht, ob ich in zwei Jahren noch auf Apple-Hardware unterwegs sein werde. Und dann? Überhaupt, was, wenn wir einen Stromausfall haben, der Akku leer ist oder der iPod / der Mac / das iPhone / das iPad / das iIrgendwas rumspinnt?

Und dann winkte mir in der Papeterie einer dieser überteuerten Lederordner der Marke Filofax zu. Ich wurde schwach. Und habe nach bald einem Vierteljahr ohne große Schmerzen alle OmniFocus-Installationen von allen Geräten entfernt.

Aber das ist ja nur die Vorgeschichte. Eigentlich wollte ich ja über GTD für Freelancer sprechen.

Ja. Werd doch mal konkret, bitte!

actions

Am System selbst hat sich mit dem Schritt Digital -> Analog nichts geändert: Jedes Projekt wird separat erfasst, und dann gibt’s Listen pro «Kontext» – also das Umfeld, in dem ich Aufgaben erledigen kann. Für GTD-Unkundige: Damit sind solche Situationen gemeint wie «Ich bin im Büro» oder «Ich bin daheim» oder «Einkauf ahoi» oder «Am blöden Telefon». Eine gute Einführung in die GTD-Methodik findet sich hier.

Aber als Freischaffender, mit Dutzenden von Kunden und Projekten wird’s schnell unübersichtlich, wenn man sich sklavisch an Allens Vorgaben hält. Ich arbeite so ziemlich überall an meinen Aufträgen – im Heimbüro, im Zug, im Raucherkabuff eines Cafés, mit Heft und Stift oder am iPad oder am Notebook. Statt dass ich mir den Kopf zerbreche, in welchen «Kontext» denn die nächste Aufgabe gehört habe ich sehr breit gefasste Kategorien gemacht: @Mobile (überall, wo ich online sein kann), @Home (daheim, wo die ganzen Papierunterlagen und Bücher rumliegen), @Offline (was auch ohne Internetzugang geht). Dann habe ich noch einen Kontext @Errands, so etwas wie eine erweiterte Einkaufsliste. Das war’s dann auch mit diesen Kontext-Dingern.

Pro Projekt gibt’s eine Seite im Filofax, das reicht. «Waiting for» ist wichtig, denn Freischaffende warten so oft auf Rückfütterung, Gut-zum-Druck, Korrekturen und bezahlte Rechnungen … Ich denke, das muss ich nicht weiters ausführen? Die Abteilung «Someday/Maybe» werde ich eventuell fallen lassen – entweder, es gehört zu einem echten Projekt, oder es ist eine blosse Notiz. Eine Allenesque «Inbox» beherbergt der Filofax sowieso nicht, dafür einen Seitenreiter für besagte allgemeine Notizen. Die Funktion der Inbox erledige ich so:

inbox

Das aus dem Grund, weil ich den Filofax aus Platzgründen nicht immer dabei habe, einen Stapel A7-Karten und Stift allerdings schon.

Und wie arbeitest du jetzt damit?

Fällt mir etwas ein, kommt’s auf eine der Karteikarten. Einmal am Tag wird diese Pseudo-Inbox geleert, also im Filofax auf die passende Projektseite oder in den Bereich «Notizen» abgelegt. Jeden Freitag gehe ich die «Projekte»-Seiten durch und übertrage die nächsten erledig-baren Aktionen auf die passende Kontextseite im Bereich «Actions». Deadlines und andere feste Termine kommen in den Kalender.

Jo. Klingt simpel, und ist es auch.

Dasselbe System hatte ich bisher mit OmniFocus abgebildet. Aber in der GTD-Methode lässt sich nicht all zu viel automatisieren – das «Review» ist ein nötiger Schritt im Ablauf. Ob ich das an einem Computer oder mit Stift und Notizbuch erledige ist recht egal. Weniger egal aber, ob ich unterwegs online gehen kann – damit die Daten am Gerät, das ich dabei habe, auf dem aktuellen Stand sind. Oder ob der Akku hält. So oder so schreibe ich mit Stift schneller als mit einer Touchscreen-Tastatur.

Und – es befreit ungemein, als Computer-Arbeiter nicht in allen Belangen an den Rechner gebunden zu sein. Und mal ganz ehrlich – irgendwie sind diese Lederdinger auch ziemlich sexy.

6 Gedanken zu „GTD für Freischaffende.“

  1. Vor drei Jahren hatte ich GTD mal vorgestellt: http://philippe-wampfler.ch/wordpress/wp-content/uploads/2012/04/Vorstellung-Getting-Things-Done.pdf
    Und auch mit OmniFocus eine Weile lang geübt, aber das System hat mich nie gepackt – vielleicht auch, weil ich nicht freischaffend bin. Mein System – auch darüber habe ich schon mal geschrieben: http://schulesocialmedia.com/2013/02/15/effizient-arbeiten-im-zeitalter-digitaler-kommunikation/ – umfasst eigentlich nur zwei »Techniken«: Sofort erledigen und mit Reminder in den Kalender schreiben.
    Nun – mein System ist nicht besser oder schlechter als andere, es passt für mich wie das deine für dich. Was mich etwas wundert, ist die Technikangst: Du fürchtest Stromausfälle, leere Akkus, nicht-aktualisierte Daten etc. Natürlich verstehe ich, wie ärgerlich es ist, wenn das Haupttool nicht auf dem mobilen Gerät läuft. Aber dennoch: Strom und aktuelle Daten kriegen wir doch einigermaßen gebacken, nicht?

  2. Danke für die Links, Philippe!

    Die Technikangst ist berechtigt, respektive die Reaktion auf tatsächliche Ereignisse nachvollziehbar, «dank» komplettem Datenverlust, in-Notlage-ohne-Handy-Ladung herumstehen und komplettem Synchronisations-Chaos, weil Google mal wieder was änderte. Das ist bei privaten Terminen und Notizen schon sehr unlustig, wenn man dann plötzlich nicht mehr weiß, wann man was wem zuschicken muss wird’s existenzbedrohend.

    Mir ist klar, dass ich in der Hinsicht wohl ein bisserl übertreibe. Gebranntes Kind unzo. Aber genau solche «Worst Cases» können einem das Genick brechen. Jedoch, ganz ab davon – ich mag es, mit einem guten Kugelschreiber auf Papier zu kritzeln. Im Filofax oder Moleskine oder was auch immer kann ich auch mal kurz eine Skizze oder eine Mindmap reinsetzen, wenn’s gerade im Cerebellum brennt. Am Handy oder iPad darf ich mich mit der Bildschirmtastatur begnügen.

    Eventuell hat mich da ein Erlebnis in einem Computerclub mit-geprägt: Der Vorstand steht im Halbkreis, einer sagt: Wir müssen noch einen Termin festlegen! 4 Leute malträtierten minutenlang ihre Palm Pilots, einer war nach fünf Sekunden mit seiner Agenda fertig …

  3. Klar, Sascha – dass eine Lederagenda viel Charme hat und wahrscheinlich am effizientesten zu bedienen ist, will ich nicht bestreiten. Aber auch die kann verloren gehen. Ich fühle mich heute nie so sicher, wie wenn ich meine Termine in der Computeragenda habe – sie sind sofort an drei, vier oder fünf Orten gespeichert. Aber ich bin wohl ein Extremfall. Wollte nur sagen, dass sich doch die Angst vor dem Datenverlust zumindest seit es Cloud-Lösungen und einfache Syncs gibt, etwas gelegt haben könnte.

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