Eike und die heilige Pecunia.

Für einen Schweizer untypisch spreche ich heute einmal das Tabu-Thema überhaupt an: Geld. Etwas typischer für einen Schweizer werde ich allerdings keine konkreten Zahlen nennen, sondern möchte mich lieber auf etwaige Fallstricke konzentrieren. Nun denn:

Was muss ein freischaffender Texter in Sachen Honorar beachten?

Zuerst einmal genau das – es handelt sich um ein Honorar, nicht um einen Lohn. Man kann es auch „Vergütung“ nennen, wenn man Fremdwörter nicht mag, aber verkneifen Sie sich Begriffe wie „Stundenlohn“ in Offerte und Rechnung.

Sobald von einem „Lohn“ die Rede ist, werden gewisse offizielle Stellen hellhörig. Die Schweizer SVA zum Beispiel kann dieses Wort bei Selbständigen nicht ausstehen, vermutet sie doch dann eine sogenannte „Scheinselbständigkeit“. Im schlimmsten Fall folgt eine Buchprüfung beim Kunden. Nicht schön. Ähnlich sieht es die deutsche Künstlersozialkasse. Kurz gesagt: Angestellte erhalten Lohn. Freischaffende Texter erhalten ein Honorar. Wie Hausärzte oder Rechtsanwälte. Nur mit weniger Prestige, dafür mit mehr Kaffee und Kippen.

Aber wie viel soll man denn für die verschiedenen Texter-Tätigkeiten verlangen? Fachverbände und Gewerkschaften, besonders in Deutschland, veröffentlichen jährlich Honorarspiegel und -Empfehlungen für Selbständige. Ergo: Nachlesen. Aber ich höre Sie schon sagen: „Die Werte sind dann doch nur für Deutschland!“ Nein, denn die typischen Honorare für deutsche Texterarbeiten gelten – meiner Erfahrung nach – auch in der Schweiz als angemessen.
Wobei, „angemessen“ … Besonders wenn man mit kleineren Firmen zu tun hat, wird man sein blaues Wunder erleben. Nicht selten konfrontieren einen dann aufgerissene Augen, bleiche Wangen oder – am häufigsten – entrüstete Lachkrämpfe. Und das liegt vorwiegend an Eike.

Eike ist die Nemesis der Freelancer. Jeder Freischaffende hat schon von Eike gehört:

„Och, mein Neffe studiert Informatik, der kann mir die Website für 300 Euro bauen. Weshalb wollen Sie dann 3 000 dafür?“

„Sind Sie noch bei Trost? Mein Schwager hat einen Bekannten der einen Freund hat, und dessen Tochter, ja, die entwirft mir das für 20 Franken die Stunde!“

Egal ob es um Photographie, Text, Graphik oder Webdesign geht – Eike ist allgegenwärtig. Eike ist oft Student/in, lebt noch bei den Eltern und arbeitet schwarz. Manchmal will sich Eike gerade selbständig machen und denkt, mit Dumping-Preisen komme er endlich an die ersten Kunden. Und drückt damit ungewollt die Honorare aller Kollegen – Eike ist ja nicht Satan, nur etwas naiv.

Freischaffende müssen einen gewissen Stundensatz verlangen, um über die Runden zu kommen. Denn sie zahlen Sozialversicherung, Altersvorsorge, Unfallversicherung, Arbeitsgeräte, Erwerbsausfallversicherung (Selbständige erhalten kein Arbeitslosengeld) und so weiter selbst. Und können auch nur selten vierzig Stunden pro Woche verrechnen, auch wenn sie bis zu achtzig Stunden arbeiten. Denn sie müssen sich ja auch um Akquisition und Bürokram kümmern. Das zahlt niemand auf Stundenbasis.

Und dann kommt Eike vorbei und erledigt den Job so nebenbei für € 10/h. Und die echten Freischaffenden dürfen dem Auftraggeber erklären, weshalb sie so viel teurer sind.

Genau, niemand mag Eike. Außer extrem knausrige Kunden.

Wie als Freischaffender mit Eike umgehen? Die meisten meiner Kollegen antworten auf Eike-Kommentare von potentiellen Auftraggebern: [Freundlich] „Oh, fein! Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg mit Eike. Es würde mich freuen, wenn Sie mir dann das Ergebnis zeigen.“ Und manchmal ist es dann so, dass ein halbes Jahr später die Firma wieder anruft, weil die Website katastrophal ausgefallen ist und sie jetzt doch lieber dich hätten.

Ist klar: Ein Jungtexter kann schlecht den höchsten Stundensatz verlangen, den man in Honorarspiegeln findet. Aber nur sehr, sehr selten sollte der eigene Satz massiv unter den Mindest-Empfehlungen liegen. Des Freelancers bestes Werbemittel ist nun mal die Mund-zu-Mund-Propaganda. Und will man wirklich, dass der erste zufriedene Auftraggeber seinen Freunden von dir erzählt, weil du so schön „billig“ bist? Wie will man dann mit gutem Gewissen bei Kunde B endlich ein vernünftiges Honorar verlangen?

Mit Dumping wird man schnell selbst zum Eike. Und auch wenn ich den Namen mag – das wird sich wohl wirklich niemand zum Lebensziel machen wollen, oder?


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Dieser Artikel erschien erstmalig am 3. Oktober 2008 im Forum der Schreibszene Schweiz und im Magazin Textín.

5 Gedanken zu „Eike und die heilige Pecunia.“

  1. Pingback: Links der Woche #1 | Von der Texterin zur Millionärin
  2. Ich musste merken, dass für mich der schwierigste Teil am selbständigen Arbeiten die Bezahlung desselben ist. Das hat viele Gründe, ein Teil davon ist persönlicher Natur:
    a) Jeder denkt, er könne schreiben, wieso also soll ich das für ihn tun und dann noch dafür Geld kriegen?

    b) Jeder denkt, sein Deutsch sei korrekt und wenn nicht, dann sei das nicht tragisch, da er ja anderes verkaufen will, nicht korrektes Deutsch. Wieso also soll er Geld aufwerfen, damit ich seine Texte korrigiere?

    c) Ich merkte vor allem am Anfang Skrupel bei mir, wirkliche Zahlen zu nennen. Von mir aus. Dachte, ich bin mal abwartend, ich will nicht vermessen, gierig erscheinen. Ich habe mich damit wohl ab und an zum Eike gemacht, wurde aber auch ab und an in die Rolle gedrängt, sogar von eigentlich guten Firmen, die mich auf Freelance-Basis einstellten (und meine Sätze waren nie überrissen).

    d) Wenn ich eine persönliche Beziehung zu jemandem habe, fällt das Honorar Stellen noch schwerer. Ich ertappte mich oft dabei, Preise runterschrauben zu wollen. Man mag sich doch, verkehrt auch sonst.

    e) Die Kehrseite: Du bist doch so gut, kannst du da mal schnell drüber schauen? Korrigierst du hier mal, schreibst du dort mal? Wie oft trifft man darauf?

    Das waren meine problematischen Erfahrungen mit dem Thema Geld… Man wächst mit seinen Aufgaben.

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