Es hilft nichts: Früher oder später muss man mit seinem neuen Kunden sprechen. Von Angesicht zu Angesicht. Rasiert und/oder geschminkt statt wie gewohnt mit Morgenrock und Kaffee vor dem Rechner.
Das allererste Kundengespräch fühlt sich ein bisschen so an, als ob man nach langjähriger Arbeitslosigkeit wieder in den ersten Arbeitsmarkt wechseln möchte. Der Beruf, für den man die Uni geschmissen hatte und für den es keinerlei Unterlagen beim Karriereberater gibt. Etwas mit einer superkreativen Bezeichnung wie „Social Media Manager“ oder „Barista“ oder so ähnlich. Jeder neue Kunde respektive jedes erste Gespräch mit einem neuen Kunden löst diese Gefühle aus. Man muss aufgeregt sein wie bei einem Date. Nur ohne Gin&Tonic-Fahne, aber ich schweife ab.
Soll man als Freischaffender mit ersten Kundengesprächen umgehen, als ob man auf eine Festanstellung schielt? Ja. Aber aus einer gesicherten Position. Denn: Falls Sie alles richtig gemacht haben, sitzen Sie jetzt der Projektleiterin oder dem PR-Verantwortlichen gegenüber, weil Sie positiv aufgefallen sind. Vielleicht, weil ihr Name herumgereicht wurde oder ein früheres Projekt tierisch reingehauen hat. Sie sind nicht als Bittsteller hier, sondern als Problemlöser. Wann hat sich der Klempner das letzte Mal aufgeführt wie ein 16jähriger Azubi? Eben.
(Falls ihr Klempner sich so geben sollte wäre eventuell ein Griff nach den Gelben Seiten angebracht. Aber ich schweife schon wieder ab.)
Die Taktik sollte sein: Verhalten Sie sich so, als ob Sie den Auftrag trotz latentem Interesse nicht benötigten. Aber denken Sie so, als ob der Kunde ihnen den Allerwertesten aus dem Höllenfeuer hieven würde.
Sie haben sich also an alle Tipps der Bewerbungsberater gehalten, sich wie ein Mitarbeiter des Unternehmens gekleidet und sein Vokabular übernommen, folgen weiteren eigenartigen Empfehlungen aus der einschlägigen Literatur. Sie haben ihr Portfolio in Griffweite und die Preisgestaltung im Kopf. Aber denken Sie daran: Sie brauchen diesen Auftrag nicht (auch wenn Sie gerne mal wieder etwas essen möchten), genau so wenig, wie Sie die Zufallsbekanntschaft aus der Bar benötigen würden (selbst wenn Sie sich die Nacht zuvor noch zum Affen gemacht hatten). Ein distanziertes Interesse, das möchten Sie aussenden. Nicht Verzweiflung und Torschlusspanik.
Manchmal klickt es ganz ohne Koketterie. Es funkt, man merkt: Darauf habe ich schon lange gewartet. Und das Gegenüber sieht es gleich, streicht sich durchs Haar, lacht über die dämlichen Wortwitze und ignoriert die übertriebenen Beschreibungen früherer Projekte. Wenn es passt, dann benötigen Sie keine übermäßige Selbstbeweihräucherung – aber es schadet auch nicht weiters. Denn man ist bereits verliebt, da schaut man über solche Dinge hinweg.
Aber Gnade Ihnen Gott, wenn Sie sich verbiegen müssen. Im besten Fall wird der Kunde sagen: Wir melden uns. Im schlimmsten Fall bekommen Sie das Projekt und werden die nächsten Wochen damit beschäftigt sein, sowohl schlechtes Gewissen als auch Selbstzweifel zu unterdrücken. Nur, damit Sie das nächste Mal in der Bar davon erzählen können, wie Sie eigenhändig den Krebs besiegt haben und kosmischen Frieden und Harmonie ermöglichten. Metaphorisch gemeint, natürlich.