Schwarzweiß-Fotografie, oder Fotos ohne Farben.

Auch im Zeitalter der DrölfmillionenpixeldigitalHDRkameras haben Bilder in Schwarzweiß ihren Reiz. Aber nicht immer handelt es sich dann auch um Schwarzweiß-Fotografie. Der Versuch einer Differenzierung.

Grautöne haben Hochkonjunktur. Nicht erst, seit Leica die Monochrom oder Phase One die Achromatic-Backs vorgestellt haben spielt »Schwarzweiß« auch in der Digital-Fotografie eine Rolle. Hochzeitsbilder werden schon seit Jahren vermehrt (und mit deutlich preisgünstigerer Ausrüstung) digital in Schwarzweiß gehalten. Auch in der Reportage- und Modefotografie finden sich immer wieder Bilder, die vollständig auf Farbinformationen verzichten. Aber nicht alle diese Bilder sind Schwarzweiß-Fotos. Sondern Bilder ohne, nun ja, Farben.

Viele Menschen wählen einen Schwarzweiß-Filter in ihrer Bildbearbeitung, weil sie eine »zeitlose Stimmung« erzielen möchten. Das ist absolut legitim. Um bei den Hochzeitsbildern zu bleiben – man heiratet in der Regel, weil man wider besseren statistischen Wissens daran glaubt, dass es bis zum Tod halten wird. Die Bilder via Schwarzweiß-Filter auf »zeitlos« zu trimmen hat also durchaus eine nachvollziehbare Funktion, bietet eine zusätzliche Informationsebene: Die Fotos sollen keine Momentaufnahmen darstellen, sondern so zeitlos wie die Fotos sein, die man im Nachlass der Großeltern gefunden hat. Ewige Liebe. Emotionen. Et cetera.

Sachzwänge.

Nur: Damals ging es in den meisten Fällen nicht anders. Schwarzweiß-Film zu entwickeln war massiv einfacher (und billiger), als dasselbe mit Farbfilm zu tun. Obwohl es die Farbfotografie schon in den 1930er-Jahren gab, setzte sie sich erst in den 70ern in der Masse durch. Wir haben also gut ein Jahrhundert mit Bildern, die aus Kosten- und Aufwandsgründen vorwiegend in Schwarzweiß gehalten wurden, gegenüber rund 40 Jahren der verbreiteten Farbfotografie. Kein Wunder, dass »Schwarzweiß« zeitloser wirkt. Ob das für die nächsten Generationen der Heiratswilligen immer noch so sein wird muss sich zeigen. Die Leute sind sich heute immerhin Instagram gewöhnt.

Ähnlich sieht es in der Reportage-Fotografie aus, auf zwei Ebenen: Ein Fotojournalist muss seine Bilder zeitnah liefern können. Einen Schwarzweiß-Film konnte man auch mit Wechselsack und einer Flasche Chemie irgendwo in der Pampa entwickeln, den entwickelten Film oder gar Abzüge nach einer Stunde verschicken. Ein Farbfilm benötigte beim Entwickeln Temperaturkontrolle, beim Belichten je nach Lichtsituation Filter vorm Objektiv. Auf der zweiten Ebene standen die Zeitungen, die lange Zeit gar nicht farbig druckten, also wozu sich mit Filtern und einem Labor abmühen?

Kurz gesagt: Wir haben so viele historische Schwarzweißaufnahmen, weil der Aufwand und die Kosten für Farbbilder zu groß waren oder Farbbilder gar keinen Sinn hatten, weil das Ziel-Medium keine Farben zeigen konnte. Diese Bilder sind mehrheitlich in Schwarzweiß gehalten, weil es nicht anders ging.

Bewusstes Schwarzweiß.

Man kann diese technische Einschränkung natürlich auch kreativ nutzen. Das taten und tun viele Fotografen. Es ist ein grafisches Sehen, ein Ausbalancieren von Licht und Schatten, Form und Struktur. Oft losgelöst vom eigentlichen Bildinhalt, in den besonders gelungenen Fällen aber als Kombination aus Inhalt und Gestaltung.

Henri Cartier-Bresson arbeitete grafisch und wechselte bezeichnenderweise nur 25 Jahre, nachdem er die Fotoagentur »Magnum« mit-gegründet hat, fast komplett zu Stift und Pinsel. Ansel Adams hat seine berühmten Landschaftsbilder mit »Zonen« verschiedener Helligkeit gestaltet, und oft im Nachhinein, beim Vergrößern, mit Abwedeln und Nachbelichten, in Form gebracht.

Natürlich arbeiten auch Farbfotograf_innen grafisch und mit gestalterischen Mitteln. Aber bei der digitalen Schwarzweiß-Fotografie ist die Grafik und die Gestaltung der Grund, weshalb man überhaupt »Schwarzweiß« gewählt hat. Respektive das sollte der Grund sein, denn sonst wirken Schwarzweiß-Bilder schnell wie Effekthascherei. Oder wie ein Instagram-Filter, den man nahm, weil es halt hübsch wirkt.

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Fazit.

Es gibt gute Gründe, Bilder im Nachhinein in Graustufen zu konvertieren. Stimmung, Gefühl, Emotionen, Kontext, Sachzwänge. Will man aber heute, im Zeitalter der DrölfmillionenpixeldigitalHDRkameras »Schwarzweiß-Fotografie« machen, muss man sich auch bewusst sein: Früher war das oft ein Sachzwang. Schwarzweiß ist nicht per se »künstlerischer« oder »authentischer« oder »zeitloser«.

In Schwarzweiß zu fotografieren benötigt einen anderer Blick auf Motive, einen (vielleicht) grafischeren Blick. Wenn die Informationsebene »Farbe« wegfällt, muss der Rest überzeugen, um ein gutes Bild zu liefern. Oder man merkt, dass »Farbe« nichts Zusätzliches bieten würde, Form und Struktur das Bild ausmachen, die Farbe im schlimmsten Fall gar ablenken würde.

Ironischerweise wurden mein Artikel durch die Umkehrung der heute üblichen Farbbild-nach-Schwarzweiß-Konvertierung inspiriert: Dynachrome färbt schwarzweiße Fotos ein. Ehrlich gesagt – ich denke, die meisten der gezeigten Bilder profitieren von der Einfärbung. Nur wenige funktionieren besser als Schwarzweiß-Fotografie. Diesen Unterschied sollten alle Fotografinnen und Fotografen erkennen, oder sich zumindest dessen bewusst sein. Dann bleiben uns vielleicht auch die ganzen Bilder-ohne-Farben erspart, und wir sehen wieder mehr: Schwarzweiß-Fotografie.

10 Gedanken zu „Schwarzweiß-Fotografie, oder Fotos ohne Farben.“

  1. Hallo Herr Fleischauer ,
    natürlich besteht die Gefahr bei farbigen Bildern , dass das farbige Motiv vom Bildinhalt und von der gewünschten Aussage „ablenkt“ .
    Ich habe bei meiner Serie BILDER OHNE FARBEN bewußt auf den Farbeinsatz verzichtet .
    Als ein Beispiel dafür nenne ich hier nur den Bildtitel : LAMPEDUSA ist überall
    oder den Titel : 1933 bis 1945.
    Bei diesen gesellschaftsbezogenen kritischen Arbeiten würde der Einsatz einer farbigen Gestaltung eher in den Bereich der Effekthascherei gehen . Die Ehrlichkeit der Bildaussage ist für mich dann zerstört .

    Auch Sie wissen sicherlich , dass sich der Farbton – schwarz – aus den drei Grundfarben zusammen setzt . Nicht umsonst spricht man von blauschwarz , wenn hier die Farbe blau stärker vertreten ist .

    Meine Bilder sind nicht mit irgendeinem Farbauftrag versehen . Wohl aber mit einer gewissen Schattenbildung behaftet . Einige Neugierige , die sich Bilder ohne Farben nicht vorstellen konnten , entdeckten beim Betrachen meiner Arbeiten nachdenklich machende Bildgedanken .

    Schauen Sie einfach mal auf meine Website .

    Gruß
    Peter Berresheim

  2. Lieber Peter Berresheim,

    Ich weiß leider nicht, wen Sie mit Herrn Fleischauer ansprechen möchten. Aber ihr Kommentar trifft ins Schwarze. Passt.

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