Oft wird man als Texter auch von Agenturen angegangen, die ein Projekt nicht allein stemmen können. Das ist nicht weiters schlimm, immerhin verkauft sich ein Haufen Textarbeiter als „Kommunikationsexperten“. Nicht schlimm, so lange der Kunde vernünftiges Ausgangsmaterial liefert oder kreative Höhenflüge nicht gleich per se verbietet. Weil sonst die P.R.-Verantwortliche in den Hungerstreik tritt oder die Rechtsabteilung bittere Tränen weint und einen Haufen potentieller Raubmordkopierer vor den Kadi zerren muss, um die Firma im Auge der Öffentlichkeit vorteilhaft zu positionieren.
Wie bereits in der allerersten Kolumne besprochen stellt sich immer die Frage nach dem Material. In meinem heutigen Beitrag erweitert sich die Perspektive um den Faktor „Agentur“: Diese nimmt dem Kreativen Kommunikationskram ab, der Schreiberling gibt einen Rabatt, und alle sind glücklich. Aber z’Füüferli und zWäggli sind im Freelancer-Umfeld nur mit masochistischen Tendenzen seitens der Texterin, mit ruchlosen Kunden oder einer hirnamputierten Zuschauerschaft möglich.
Hirnamputiert? Geht’s noch???
Tschuldigung. Ich habe mich zu dem Thema (sogar auf Englisch!) ausgekotzt, hier will ich ein wenig nüchterner bleiben. Oder mahnender, Zeigefinger-hochhaltender. Denn es ist klar: Entweder, Agentur und Kundin vertrauen den Kreativen und lassen sie das machen, wofür man sie umworben hat. Oder der Kunde liefert selbst interessante Inhalte, die aufgewertet werden sollen. Aber in keinem Fall sollte man vom Rand des Fußballfeldes mit vergifteten Pfeilen auf die Spieler schießen. Das mag oft in der Agenturisten-Natur liegen und auf Außenstehende recht drollig wirken, aber damit verärgert man die freien Mitarbeiter und zeigt sich als planlosen Zombie der Gewinnmaximierung. Während sich das nicht-lobotomisierte Publikum fragt, was die bereits x-Mal gesehenen Inhalte bewirken sollen.
Für freischaffende Texter stellt sich hier zuerst die Honorarfrage. Wenn man mit Agenturen statt Endkunden zu tun hat, reduziert man seinen Stundensatz. Logisch. Besagte Agentur hat den Kunden aufgetan und kümmert sich auch um ihn; der „freie Mitarbeiter“ kann einfach seine Aufgaben abarbeiten, ohne mit dem Kunden diskutieren zu müssen. Er ist ja Mitarbeiter, nicht Entscheidungsträger. Und verdient entsprechend weniger. Für die Koordination gibt es die Projektleitung durch die Agentur, der man dafür als Texterin einen Abschlag aufs eigene Honorar gewährt hat.
Nur leider sehen das einige Auftraggeber etwas verschwommen. Und der Freischaffende fragt sich: Für den Stress verzichte ich auf einen gehörigen Teil meines Stundensatzes? Ich soll dasselbe machen, wie wenn ich dem Kunden selbst offeriert hätte, aber für die Hälfte meines Mindesthonorars?
Okay, aber was hat das mit Hirnamputierten zu tun?
Recht viel. Denn wenn der Endkunde ständig des Freischaffenden Ideen einschränkt wundert sich dieser, was er als „Kreativer“ in diesem Projekt soll. Und da er plötzlich doch mit der Kundschaft verhandeln soll, sinkt die Motivation, für so wenige Mäuse unbezahlte Überstunden zu schieben, um die gegebenenfalls hysterischen Ideen des Kunden umzusetzen. Ideen, zu denen die eigentliche Projektleitung nichts sagen kann, weil nach fünf Uhr nun mal Feierabend ist.
Damit kann der Texter mit gutem Gewissen lediglich alte Inhalte verwerten. Dass man mit so einem Ansatz etwaige interessierte Leser vergrault – das erkennen manche Kunden leider nicht. Man hat ja geiles (aber antikes) Material angeliefert, das muss reichen. Und die Agentur hüllt sich in Schweigen, man zahle ja genug für die Eigeninitiative des Freien, ne?
Alter Wein in noch älteren Schläuchen. Das funktioniert nicht, besonders nicht im World-Wide-Web. Einmal im Netz, immer im Netz und schon zig Mal verfügbar. Und wenn die Textarbeiter unter solchen Voraussetzungen dem Endkunden direkt Rechenschaft ablegen müssen, wozu dann noch die Agentur dazwischen, die anständig beim Honorar abgreift?
Aber eben, darüber wollte ich eigentlich gar nicht schreiben.
Gut. Du nervst langsam.
Es geht mir eigentlich nur um Eines: Giev Info. Das mag sehr nach Lolspeak klingen, trifft aber den Kern der Sache mit nur zwei Wörtern. Der Texter soll etwas in Worte fassen und so Werbung machen. Okay. Aber dazu muss er dieses „Etwas“ kennen, Hintergrundinformationen bekommen. Auch Dinge, die noch nicht öffentlich sein sollen. Wie kann man ohne pseudo-geheime Infos wissen, was man zwei Wochen zuvor bereits als Teil der Kampagne hätte andeuten müssen? Wie abschätzen, was noch alles an Möglichkeiten offen steht? Theoretisch ist das Sache des Marketingplans. Klar, deshalb sitzen Spezialisten oft Monate vor dem Start einer Kampagne am Schreibtisch, trinken Kaffee und kichern manisch. Aber wie bereits vor zwei Jahren geschrieben:
Gebt uns unwürdigen Textarbeitern diese Informationen. Wenn sie wie in Fort Knox eingebunkert werden, können wir nicht vernünftig arbeiten. Was uns besonders grenzwertig erscheint, wenn wir der vermittelnden Agentur, auch zum Vorteil des Kunden, einen heftigen Abschlag gewähren und dann doch mit Koordinationsfragen zugemüllt werden. Späte Mails und Telephonate, die mit ein bisserl mehr Vertrauen dem Freischaffenden gegenüber unnötig wären. Weil er oder sie weiß, was geplant ist. Und damit wir gegebenenfalls die Notleine ziehen können, wenn wir merken: Ich bin hier im falschen Film, die brauchen einen Social Media Manager Spammer, keinen Textarbeiter.
Entsprechend rate ich allen Freischaffenden, nichts ohne ein vom Kunden unterschriebenes Pflichtenheft und dem gesamten – auch geheimen – Material anzurühren. Sie werden sonst Ihren Alkoholspiegel steigern und gleichzeitig die Haardichte auf dem Kopf senken. Miese Kombination.
Bestehen Sie ebenso auf eine faire Behandlung durch die Agentur. Will sie eine Vermittlungsgebühr, okay. Will sie jedoch einen Abschlag auf den Stundensatz, dann muss die Agentur den Freelancern im Gegenzug etwas bieten. Sonst können wir gleich mit dem Kunden verhandeln und auf Lolspeak verzichten. Auch wenn ich Katzen mag, es wäre 4 teh win! Ich meine, zu unser aller sprachlichen Gewinn. Genau.
Ein Gedanke zu „Agenturen und Freelancer, oder die Sache mit dem Material, Teil 2.“