Von Chancen, Prosecco und unnötigen Panikreaktionen.

Irgendwann, hoffentlich nicht erst kurz vor der Insolvenz, eröffnet sich Schreiberlingenden aller Gattungen die Chance. Vielleicht meldet ein großes Unternehmen Interesse an der gebotenen Dienstleistung an, eventuell möchte ein Sachbuchverlag einen Testballon im eBook-Bereich steigen lassen. Oder ein Journal, eine Wochenzeitung, ein Magazin hat erfahren, dass man sich in einem Thema besonders gut auskennt und hätte jetzt gerne einen Artikel. Allen diesen Szenarien gemeinsam ist: Es geht nur auf den ersten Blick um eine einmalige Geschichte. Und auch nicht im übertragenen Sinne, aber ich schweife ab. Nein, in all diesen Fällen steht die langherbeigesehnte längerfristige Zusammenarbeit winkend am Horizont.

Wie es sich für eher introvertierte Textarbeiter gehört reagiert man hoffentlich angemessen darauf: Mit Panik.

Weshalb sollte ich panisch auf eine solche Chance reagieren?

Von Sollen ist hier nicht die Rede. Aber sowohl Neulinge als auch alte Hasen werden nach dem ersten Freudentaumel, spätestens bei der zweiten Flasche Prosecco, ins Grübeln kommen. Schaffe ich das? Was, wenn ich das globale Unternehmen / den europaweit gerühmten Verlag / die Wochenzeitschrift der Nation enttäusche? Die Bandbreite der möglichen Reaktionen reicht von Schulterzucken über Respekt vor der Aufgabe bis zum ängstlichen Griff zur dritten Flasche.

Es dürfte Sie nicht überraschen, wenn ich Ihnen in solchen Situationen eher que sera, sera nahelege als den einen oder anderen Panikanfall. Diese mögen für Außenstehende drollig anzusehen sein, sich selbst tut man aber damit keinen Gefallen. Wer eine solche Situation über alle Maßen mit Bedeutung auflädt, zum Schlüsselmoment seiner gesamten Karriere – ja der weiteren Lebensplanung – macht, der handelt unklug.

Seien wir ehrlich: Selbst wenn es sich um die Chance handelt sind Sie irgendwie an den Punkt gekommen, dass sich diese Chance überhaupt erst bietet. Sie haben entweder mit viel Blut, Schweiß und Tränen daraufhin gearbeitet und beherrschen Ihr Metier. Oder Sie haben sich als äußerst erfolgreich im Bullshitting Selbstmarketing bewiesen und könnten entsprechend drohendes Totalversagen relativieren und zu einem Teilerfolg umdeuteln.

So oder so gilt: Von nichts kommt nichts. Selbst wenn Glück eine bedeutende Rolle bei der Chance gespielt haben mag, ohne dieses Nicht-nichts wäre es verpufft. Glück ohne Grundlage führt höchstens zu bankrotten Lottomillionären; im kulturell-journalistischen Umfeld ist es von geringer Bedeutung.

Also Kopf hoch! Es ist berechtigt, dass sich das globale Unternehmen / der europaweit gerühmte Verlag / die Wochenzeitschrift der Nation bei Ihnen gemeldet hat. Atmen Sie durch, spitzen Sie den Bleistift, geben Sie Ihr Bestes.

Das Schlüsselwort im letzten Absatz ist „Ihr Bestes“ – das, was Sie bisher geleistet haben, brachte Sie in diese Situation. Sich jetzt aus Furcht vor dem Scheitern anzubiedern ist nicht nur kontraproduktiv sondern zutiefst unlogisch.

In diesem Sinne: Auf gutes Gelingen und viele weitere Proseccoflaschen! Diese jedoch lieber einzeln als in angstgeschwängerten Rudeln, ja?

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